Die Zauberei lebt von zu einem großen Teil von ihren Trickgeheimnissen. Das ist uns allen klar, und in der Regel brüsten wir uns auch damit vor nicht eingeweihten Personen (also unseren Zuschauern). Aber gehen wir intern auch richtig mit unseren Geheimnissen um?
In der heutigen Zeit der Informationsfreiheit haben es Geheimnisse schwer. Die Leute wollen einfach alles wissen und denken auch, dass sie dazu das Recht haben. Wahrscheinlich denken viele, dass es keine Geheimnisse gibt und wenn, dann nur Wissen darstellen, auf das sie ein Grundrecht haben. Aber es gibt trotzdem noch wahre Geheimnisse, und die werden von wenigen Menschen gut behütet und geschützt.
Diese Einstellung hat auch vor unserer Zaubererbranche keinen Halt gemacht. Immer mehr Zauberschulen, die Geheimnisse für ein Butterbrot anbieten. Mit der Fehlannahme, dass die Kunden dann andere damit täuschen und verblüffen können, wenn sie den Kurs belegen. Vollkommener Schwachsinn, denn je mehr Menschen da draußen unsere Geheimnisse kennen, desto schwieriger wird es, sie zu täuschen.
Dazu kommt, dass durch das Internet immer mehr Menschen immer leichter an die zauberischen Geheimnisse gelangen können. Dadurch kommen auch Menschen in unsere Kreise, die vorher keine Ahnung davon hatten, dass es solch eine Branche oder Szene überhaupt gibt. Das ist natürlich interessant, und jetzt will man alles wissen. Und da kommen die Egos von vielen unter uns ins Spiel, die sich als Insider aufspielen und bereitwillig alles erklären. Damit steht man ja als „Eingeweihter“ oder „Fachmann“ da. Man weiß etwas, was andere (noch) nicht wissen, und dadurch fühlt man sich besser. Die Versuchung ist groß, gleich alles hinauszuposaunen …
Der MZvD tut auch Seiniges dazu, indem immer mehr Mitglieder angeworben werden. Nicht in allen OZs, aber doch in einigen ist es so, dass es im Prinzip keine Rolle spielt, wer aufgenommen wird – Hauptsache, „er/sie passt in unsere Gruppe“. Von Geheimnissen ist längst nicht mehr die Rede.
Früher musste man sehr lange Zeit den Anwärter spielen, musste beweisen, dass man es wert ist, diese Geheimnisse teilen zu dürfen. Nicht alle haben die Aufnahme zur Prüfung in den MZvD bestanden. Das war gut so.
Fangen wir damit an, wo „Leaks“ entstehen. Die größten Geheimnisträger in unserer Branche sind mitunter die Zauberhändler. Noch bevor die meisten Zauberer über neue Tricks Bescheid wissen, haben die Händler durch ihre Kanäle und Kontakte schon entschieden, ob der Trick oder das Geheimnis der Magierschaft angeboten wird oder nicht. Dann wird das Kunststück auf den Markt gebracht und das Geheimnis jedem, der es bezahlen kann oder haben will, verkauft. Damit ist es aber kein Geheimnis mehr, sondern ein Produkt, was dann viele haben. Der Zauber des Tricks ist verloren.
Dann natürlich die Möglichkeiten des Internets, die jedem pubertierenden Flegel es erlauben, ungehindert Tricks zu erklären. Das nennt man „Tutorials“ oder „Magic Trick XYZ Exposed“. Die Tricks werden nur verraten, damit man auf seinem „Channel“ toll dasteht und viele Klicks erhält. Ein absolut dummes Verhalten. Und was machen die meisten Zauberer? Anstatt das einfach zu ignorieren, wird kräftig draufgeklickt und diskutiert …
Am wenigsten schaden vermutlich die Bücher. Wenn man Geheimnisse in Büchern beschreibt, dann verrät man sie natürlich auch und macht aus dem, was einst nur wenigen bekannt war, etwas für alle anderen ebenfalls Zugängliches. Der Unterschied ist aber, dass sich nur die wenigsten heutzutage die Mühe machen, Bücher zu studieren. Und da Bücher praktischerweise Deckel haben und geschlossen in den Schrank gestellt werden können, sind sie „verschlossen“, unsichtbar und schützen die darin enthaltenen Geheimnisse gut. Man kann als Autor dies sogar noch steigern, indem man die Geheimnisse kryptisch beschreibt oder sogar ganz auf Bilder oder Illustrationen verzichtet. Der Verzicht auf graphisches Material ist ein sehr guter Schutz.
Was kann man tun?
Aus meiner Sicht: Was die Menschheit und ihren Umgang mit den Medien angeht, gar nichts. Ich kann die Welt nicht ändern, und wenn ich es nicht verrate, dann wird es eben ein anderer tun. Irgendwann. Irgendwo. Durch irgendein Medium. Also aussichtslos? Auf keinen Fall!
Lösung
Die Dumpfbacken aussperren, sich wieder rückbesinnen auf die verschwörerische, geheimnistragende Gemeinschaft, die wir mal waren, und Aktion in diese Richtung zeigen.
Ein wirklich geheimes Forum schaffen, in dem nur ausgewählte und von den anderen akzeptierte Zauberer Zutritt haben und damit auch Zugang zu den wertvollen Geheimnissen. Somit gelange ich an meine „Regeln“, die aber eher als Vorschläge gemeint sind, um Geheimnisse wieder mehr zu schützen:
Es muss wieder eine Art Geheimbund oder geheimer „Orden“ entstehen.
Niemand kann sich einfach nur den Zutritt „erkaufen“. Man muss sich vor einem Gremium beurteilen lassen und seine Qualifikation (vor allem was das Bewahren von Geheimnissen angeht) bewiesen haben.
Nichts darf nach außen dringen. Keiner muss wirklich wissen, wer sonst noch im Orden ist und keiner darf über seine Mitgliedschaft in der Öffentlichkeit reden. Postet er in Internetforen, verrät oder verkauft er Tricks aus der Ordensgemeinschaft, wird er sofort aus der Gemeinschaft ausgestoßen und verbannt.
Seit es die Menschheit gibt, gab (und gibt) es diese Art von Geheimbünden. Das ist nichts Schlechtes, im Gegenteil. Es ist notwendig, um wichtige Dinge vor Idioten und gewissenlosen Egomanen zu schützen. Geheimnisse sind (per Definition Wikipedia):
Ein Geheimnis ist eine meist sensible Information, die einem oder mehreren Eigentümern zugeordnet ist. Es soll einer fremden Personengruppe, für die es von Interesse ist/sein könnte, nicht bekannt oder einsehbar sein. Die entsprechende Information wird häufig absichtlich in einem kleinen Kreis Eingeweihter gehalten. Sie kann durch äußere Umstände auch vollkommen verlorengehen.
Geheimnisse können nur solche bleiben, wenn wir Zauberer umdenken und sie auch als solche behandeln. Wenn wir entsprechende Schritte einleiten und diese neuen Wege dann auch konsequent weitergehen. Wenn wir aufhören, unsere Geheimnisse jedem gegenüber auszuplaudern. Wenn wir uns zusammennehmen und der Versuchung widerstehen.
Es muss ein neues Bewusstsein und eine andere Einstellung entstehen, was die Zaubergeheimnisse angeht. Dabei muss sich aber jeder selbst an der Nase packen. Nur wenn wir uns grundlegend ändern und die Geheimnisse für uns und unter uns behalten, kann es wieder echte Geheimnisse geben und damit auch die Verzauberung der Nichteingeweihten.
Ich bin bereit und habe sogar schon Vorbereitungen hinter den Kulissen getroffen, einen solchen „Geheimbund“ endlich zu erschaffen …