Dieses Interview mit dem Inhaber der Strotmanns Magic Lounge in Stuttgart erschien in der NAM 03.
NAM: Wie bist Du zur Zauberei gekommen?
Thorsten: Mit meiner Geburt, ich erschien aus dem Nichts. Ich habe als Kind Zauberei geliebt und gerne gesehen und ein bisschen was ausprobiert. Dann war ich lange im Leistungssport aktiv und habe nichts mit Zauberei zu tun gehabt. Mit 20 entdeckte ich die Liebe zur Zauberei erneut.
Für die Entdeckung war meine Mutter mit verantwortlich, da sie auf einem Geburtstag einen Zauberer gesehen hatte und ihn fragte, wo man das lernen könne. Er gab ihr dann eine Adresse von Rolf Merkl. Rolf hatte damals einen Kurs in der Volkshochschule Böblingen gegeben und zudem den IBM-Ring geleitet. Dort meldete ich mich an. Der Kurs startete aber erst in einem Monat. Das dauerte mir zu lang und ich habe mich auch anderweitig umgeschaut.
Im Karstadt fand ich ein Buch von Wittus Witt (Taschenspielertricks), dies kaufte ich mir. In diesem Buch war eine Händlerliste und ich habe mir alle Händlerkataloge bestellt, viele Bücher, Videos und Requisiten gekauft. Dabei war auch viel Schrott. Ich war teilweise entsetzt, was ich da bekam. Aber das gehört wohl zur Entwicklung dazu. Besser: Es gehört dazu, zu erkennen, was Schrott ist.
Drei Monate nachdem ich mit dem Zaubern begonnen habe, habe ich mich beim Stuttgarter Zirkel als Gast vorgestellt. Ich traute mich aber nicht zu sagen, dass ich erst seit drei Monaten zaubere und dachte, dass dies wohl viel zu kurz ist, um hier aufgenommen zu werden. Bei der Vorstellungsrunde erzählte ich dann, dass ich schon seit 6 Monaten zaubere, und gab mein Debüt von ca. 30 Minuten. Meine Performance weiß ich sogar noch und bestand damals aus: Verschwindender Stab mit Bodyservante, gefolgt von Purse Swindle, Knoten-Wanderung mit 6 Tüchern, Drawn Card Rise, Becherspiel, Ringspiel und dann hatte ich noch eine Münzwanderung (Chinese Money aus deinem Buch) gezeigt. Nach der Performance sagten sie, dass sie mich gerne als Gast aufnehmen, ich aber ruhig die Wahrheit sagen könne, wie lange ich schon zaubere, da man dies in 6 Monaten so wohl nicht lernen könne.
Dann hatte ich einen Paten, was ja eigentlich ein gutes Konzept ist. ABER: Bei den Treffen war immer ich derjenige, der gezaubert hatte und neue Effekte zeigte und diese auch noch erklärte. Ich dachte, die können das sicher schon alles und sah es als Übung. Weit gefehlt. Später erkannte ich, dass sehr wenig Zauberwissen vorhanden ist. Dann lernte ich andere kennen und erkannte, um was es wirklich geht. Ich entwickelte schnell den Wunsch, Profizauberer zu werden. Ein sehr gutes Gespräch hatte ich hierzu mit Patrick Page. Heuer habe ich mein 18-jähriges Profibühnenjubiläum und kann nur sagen, dass ich sehr dankbar für alles bin und diesen Weg jederzeit sofort wieder einschlagen würde.
NAM:Lebst Du von der Zauberei?
Thorsten: Nein, ich lebe mit der Zauberei. Meine Fixkosten im Monat, also die Kosten, die so fix entstehen, überwältige ich mit den Gagen und von meinen Showeinnahmen aus meinem Theater in Stuttgart. Es ist aber nur ein kleines Theater und wir haben gerade mal 146 Plätze und nur 6 Reihen. Die Preise liegen bei ca. 60 bis 80 Euro pro Person. Man muss sich halt ein bisschen einschränken, aber das geht schon und wir kommen durch.
NAM:Willst Du uns kurz Deinen Werdegang schildern?
Thorsten:Nö, 18 Jahre sind zu lang für die NAM, das wäre ja ein NAM Buch und ein anderes Konzept. Kurzübersicht: Beginn siehe oben, dann viel als Straßenzauberer gearbeitet, Kontakte zu Firmen aufgebaut und einige Firmenengagements gespielt. Zwischendurch über 5 Jahre noch eine Coaching-Ausbildung gemacht, da mich das Thema Persönlichkeitsbildung, Psychologie und Coaching sehr interessiert. Ich bin heute zwar als Contextueller Coach ® ausgebildet und zertifiziert, vermarkte mich aber nicht. Coaching, Seminare und Vorträge gebe ich nur auf Nachfrage in einem sehr kleinen Bereich und nur, wenn die Menschen wirklich weiter wollen.
Und seit Oktober 2009 habe ich eben meine eigene Show und mein Theater in Stuttgart. Die STROTMANNS Magic Lounge.
NAM: Wie sieht für Dich die Zukunft der Zauberei aus?
Thorsten:Was für eine Zukunft? Auf jeden Fall weg von schlechter Comedy, weg von Rumalbereien, weg von Singsang mit Magie, weg von schlechtem Tanz und Rumgezappel, weg von Klischenummern mit Gärtnern, Köchen, Schneidern und Co, also weg von allem was die Magie verwässert hin zu starker, klarer, überraschender und hervorragender Zauberei mit Personality und einem geilen Typ.
Ich glaube die alte Schule, modern präsentiert, ist wieder gefragt, bzw. war immer gefragt und funktioniert.
NAM: Wie sollte ein moderner Magier heute aussehen?
Thorsten: So wie ich.
NAM:Was hältst Du von den magischen Trends heutzutage?
THORSTEN: Nicht so viel, wobei es schon auch sehr, sehr gute neue Sachen und Ideen gibt. Viele davon sind selbst in der Szene unbekannt. Ich finde nur die Magie in der Szene häufig sehr schlecht und die Trends völlig dysfunktional.
NAM:Findest Du 1‑Trick-DVDs sinnvoll?
THORSTEN:Ich finde 1‑Move oder 5‑Move DVDs sinnvoll, von mir aus auch Tricks, aber die meisten können die Basis nicht. Bücher und gute Workshops sind viel besser! Die Arbeit und das Lernen müssen bei der Basis beginnen.
NAM:Es ist ein leidiges Thema, aber eben Realität. Wie stehst Du zum Thema Raubkopiererei in der Zauberei?
THORSTEN:Das ist eine riesengroße Sauerei, vor allem auch, weil sie selbst vom Magischen Zirkel geduldet wird. Ich behaupte, dies geht bis in die höchsten Ebenen im Verein, der eigentlich die Magie hegen und pflegen sollte, dies steht ja auch in der Satzung. Zur Pflege der Zauberei gehört es auch, dass die Kreativen, die bereit sind, IHR Wissen zu teilen, und die Profis, die bereit sind ihr Wissen weiter zu geben, anerkannt und vernünftig bezahlt werden. In der Realität wird aber geklaut. Ich habe selbst im OZ Stuttgart erlebt, wie eine Festplatte über den Tisch geschoben wurde, mit der Aussage “Tu alles drauf was du mit Münzen hast.” Das ist Diebstahl und gehört angezeigt und dann gehören diese Menschen zur Kasse gebeten und verklagt. Gerne gebe ich dir die Namen. Gehen diese Leute auch in einen Laden und nehmen sich einfach etwas mit, ohne zu bezahlen? Nach dem Motto: Ist ja genug da, merkt schon keiner, einfach ein guter Topitwurf und ein bisschen Misdirection, dann geht das schon.
Geld ist übrigens die größte Anerkennung, die sie geben können. Und Sozialität muss man sich erst mal leisten können. Aber die Anerkennung über Geld ist im Zirkel und bei vielen Zauberern gegenüber anderen Zauberern absolute Mangelware. Auch die Gagen von Ortszirkeln für Seminarleiter von gerade mal ein paar Hundert Euro sind lächerlich. Aber solange die Künstler dies mitmachen, sind sie alle selbst schuld.
Ein Hintergrund für dieses Verhalten ist dabei nicht der Neid, nein es ist schlimmer, es ist die Missgunst. Selbst wollen sie aber das meiste Geld einheimsen und den großen Zampano spielen, dann natürlich mit den Effekten, die man kurz zuvor geklaut hat. Das funktioniert nicht!
Jeder der klaut und betrügt schadet den Händlern, den Erfindern, den Autoren, den Künstlern, der Gesamtentwicklung in der Magie und so letztendlich sich selbst. Fangt an dies zu kapieren!
Da fäll mir ein super Spruch von Marvelli ein, der war sowieso großartig: “Was haben Magie und Prostitution gemeinsam? Die Amateure machen sie kaputt.”
NAM:Welche Vorschläge hast du, den Ideenklau zu verhindern?
THORSTEN:Eigentlich wäre das die Aufgabe eines Vereins hier etwas zu tun. Wie die GEMA in der Musikindustrie. Und dann muss man sofort ohne Vorwarnung rechtlich dagegen vorgehen. Ich würde das so machen. Allerdings muss klar sein, was wirklich ein Diebstahl ist. Zu mir hat mal jemand gesagt, ich hätte die Idee eine Show HAUTNAH zu nennen von ihm geklaut. Das ist lächerlich, wusste ich auch nicht. Ist aber auch egal, weil das Wort HAUTNAH für einen Shownamen nicht schützbar und nur ein anderer Begriff für Close-up ist.
So ein Vorwurf ist lediglich ein Mangeldenken und Unsinn. Als ob es darauf ankommt. Vor allem kennt den hier kein Mensch. Bei geschützten Begriffen, Nummern, Produkten, wie z.B. DVDs, Bücher, Zeitschriften, Deine Samurai oder andere eigenständige Nummern, sieht dies aber völlig anders aus.
NAM:Welche magischen Zeitschriften liest Du?
THORSTEN:Eigentlich nur ganz wenige, ich lasse viel lesen und mir dann die wichtigsten Neuerungen mitteilen.
NAM:Klassische Zeitschrift kontra YouTube Co.?
THORSTEN:YouTube ist sicher auch gut für eine schnelle Recherche, hier gibt es aber mehr Schrott als Gutes.
Zeitschriften und Bücher würde ich bevorzugen. Was allerdings auf YouTube sonst noch so passiert ist ein anderes Thema.
NAM:Wer hat Dich in der Zauberei beeindruckt?
THORSTEN:Die ich persönlich kennengelernt habe: Patrick Page, Salvano, Juan Tamariz, Paul Daniels, Roberto Giobbi, Ali Bongo, Alan Shaxon, Tommy Wonder, Du und natürlich noch viele andere.
Die ich nicht persönlich kennengelernt habe: Slydini, Derren Brown, David Copperfield, Vernon, Albert Goshman, Cyril Takajama.
NAM:Was war der wichtigste Kongress in Deinem magischen Leben, was das wichtigste/beeindruckendste Seminar?
THORSTEN:Ich war nicht auf sehr vielen Kongressen und kann hierzu nicht so viel sagen. Die Thumm-Kongresse und Seminare fand ich aber sehr, sehr gut. Weitere Seminare siehe oben.
Magier, die ich persönlich kennengelernt habe: Sehr toll war das Seminar von Salvano, vor allem seine Sichtweise über Magie, die ich heute noch teile und verfolge.
NAM:Nenne zehn Bücher aus der Zauberei, die Du für absolut wichtig hältst:
THORSTEN:Ich nehme die Autoren: alles von Vernon, Slydini, Goshman, Al Baker, Tommy Wonder, Billy McComb, Patrick Page, Juan Tamariz, Alexander de Cova, Kartenschule von Roberto Giobbi und es gibt noch soooo viele mehr …
NAM:Nenne zehn Bücher aus anderen Bereichen, die Dir in der Zauberei und im Leben geholfen haben:
THORSTEN:Einiges an Business und Coaching Literatur u.a. Ron Smothermon, Bodo Schäfer, Clemens Kuby, Albert Ellis, Al Ries, Brian Tracy, Wolfgang Berger, Toni Buzan, Klaus Kobjoll, Jay Conrad Levinson
NAM:Nenne fünf Magier, die Dir konkret geholfen haben, sodass Du Deinen heutigen Status hast:
THORSTEN:Ich bin ein Eigenbrötler und habe mir zu 99% alles selbst aufgebaut und selbst beigebracht, also wenig persönlichen Kontakt zu anderen Magiern gehabt. Ich hatte nur die Bücher und damals die genialen Seminare bei Manfred Thumm. Also die Magier, die schon oben stehen.
NAM:Wie entwickelst Du deine Effekte?
THORSTEN:Mit einem sehr guten magischen Freund und auch Berater. Ich rede viel, spinne rum und manchmal bleibt dann etwas Gutes zum Vorführen übrig.
NAM:Wie denkst Du über Zauberei im Fernsehen, speziell in Deutschland?
THORSTEN:Ist absolut stiefmütterlich und alles, was bisher in den letzten Jahren lief, war ganz großer Mist. ALLES! Zudem werden die falschen Künstler an die Stelle des Protagonisten gesetzt. Die Beraterstäbe und Regisseure stimmen auch nicht. Dabei kann nichts Vernünftiges raus kommen. Das Problem ist die Selbstüberschätzung, und was fehlt, ist die magische Persönlichkeit fürs TV.
Das muss man lernen und üben, allerdings wird es nicht geübt und gelernt und man denkt, dass man einfach ein Format im TV mit ein paar Kunststücken und Themen füllen kann. Dann stellt man plötzlich fest, es wirkt nicht und man wundert sich warum. Ich bin der Meinung, dass man eine TV-Präsenz und Persönlichkeit über Monate /Jahre aufbauen muss, viel üben und analysieren muss und genau hinschauen sollte, warum etwas so wirkt, wie es wirkt und wie man selbst als Person rüber kommt. Das machen die Wenigsten. Die Luft wird dann sehr dünn da oben. Momentan wüsste ich niemanden im deutschsprachigen Raum, der dies alles schon hätte.
NAM:Hast Du Fernseh/Radio Erfahrung?
THORSTEN:Ja, aber nur ganz wenig und ich arbeite derzeit an verschiedenen Produktionen, aber anders wie bisher.
NAM:Verwendest Du Kreativitätstechniken, wenn ja – welche und wie setzt Du sie ein?
THORSTEN:Mind-Mapping und verschiedene Brainstormingtechniken und Zettelwirtschaft.
NAM:Wo und wie organisierst Du deine Ideen?
THORSTEN:Aktenschrank und digital im PC, businesstechnisch macht das meine Frau und Managerin für mich. Ich liebe Ordnung bin aber ein Chaot.
NAM:Papier und Bleistift kontra digitale Mittel – welcher Typ bist Du?
THORSTEN:Digital, manchmal aber auch Bleistift und Moleskin
NAM:Bitte beschreibe den typischen Ablauf, wenn Du ein neues Kunststück einstudierst.
THORSTEN:Ich übe zuerst nur den Griff, sicher mehrere Dutzend mal, gepaart mit dem Komplettablauf, nebenher entsteht die Story und dann wird es zusammengesetzt. Dann kommen der Text und die Musik dazu, oder auch nicht.
NAM:Nach welchen Kriterien wählst Du Techniken, insbesondere Griffe aus?
THORSTEN:Die, die funktionieren, also täuschen, werden gelernt, egal wie schwer oder einfach sie sind.
NAM:Wenn Du eine neue Technik einstudierst, wie gehst Du vor?
THORSTEN:Ich schaue sie mir kurz an, lese die Theorie dazu, nehme dann die Requisiten in die Hand und mache das erst mal in Zeitlupe, bis ich es verstanden habe, das kann lang dauern, irgendwann geht es dann schon, wenn nicht, ein bisschen Misdirection drüber …
NAM:Wie hältst Du Techniken “scharf”?
THORSTEN:Immer wieder üben, sehr gut ist die Technik von Roberto, auf ein Kartenspiel verschiedene Techniken aufzuschreiben und dieses Spiel dann immer in der Tasche zu haben und immer wieder rausziehen und die Techniken üben.
NAM:Was ist Dein aktuelles Projekt und wo liegen Deine Schwerpunkte?
THORSTEN:Im Moment wird HAUTNAH 1 und HAUTNAH 2 optimiert und rundum erneuert, und es wird an der neuen Show HAUTNAH 3 – Beyond Measure gearbeitet, die am 30.3.2013 Première hat und schon ausverkauft ist.
Zudem ist ein eigenes TV-Projekt in Planung, hier sollen alle zwei Monate zwei neue Shows entstehen. Das reicht mir dann erst mal für das nächste Jahr.
NAM:Wenn Du nur einen Trick vorführen dürftest, welcher wäre das?
THORSTEN:Schokolade verschwinden lassen.
NAM:Welcher Trick, den Du aktuell vorführst, hinterlässt den größten Eindruck bei deinen Zuschauern und warum?
THORSTEN:Das sage ich nicht, sonst wird er nur geklaut und kopiert.
NAM:Was macht einen guten Trick für normales Publikum aus? Welches sind die wichtigen Elemente?
THORSTEN:Einfach zu verstehen, klar im Ablauf, der Impact des Effektes und wie er präsentiert ist.
NAM:Wie hast Du das Zauberkofferproblem gelöst? Welche Ablage verwendest Du bei Deinen Shows?
THORSTEN:Backstage auf dem Fußboden – auf diesem steht ein Case mit einer speziellen Einteilung, die ist aber geheim, Alex, du kennst sie, da ich sie von dir gelernt habe. In meinem Lager und meiner Werkstatt habe ich einen riesigen Apothekerschrank mit 180 Schubladen, der ist 4 m breit, 2,50m hoch und knapp 2 m tief, da gehen dann schon ein paar Münzen und Kartenspiele rein.
NAM:Bei welchem Händler kaufst Du am liebsten ein und warum?
THORSTEN:Gimmicks hauptsächlich bei Christian Jedinat, er kennt sich sehr gut aus. Bei Stolina kaufe ich auch ab und zu. Häufig wird selbst gebaut und in Kaufhäusern geschaut.
NAM:Was war Dein größter Flop?
THORSTEN:Der Versuch eine Illusionsshow aufzubauen, die sogar in der Stadthalle Leonberg vorgeführt wurde. Das war ein riesengroßer Mist. Aber trotzdem eine gute Erfahrung, die mir niemand mehr nehmen kann. Manchmal muss man eben auch Dinge machen, damit man erkennt, was man nicht will.
NAM:Wie behandelst Du Pannen auf der Bühne?
THORSTEN:Was für Pannen? Einfach weiter machen.
NAM:Wie setzt Du Musik in der Zauberei ein?
THORSTEN:Ich habe einen Pianisten und Musiker der für mich die Musik nach meinen Vorgaben und Ideen produziert. Das ist super!
NAM:Welche anderen Kunstsparten inspirieren Dich für die Zauberei?
THORSTEN:Musiker, Filme, Kabarettisten
NAM:Hast Du Geheimtipps für unsere Leser, was Kreativitätsquellen und Inspiration angeht?
THORSTEN:Viel lesen, viele Shows anschauen und sich ständig weiter bilden.
NAM:Was hältst Du vom MZvD?
THORSTEN:Ha, das ist ja ne super Frage. Einerseits machen sie ein paar Dinge, die sicher gut sind und auch gut gemeint sind aber:
Es ist ein Hobby- und Amateurverein, der sich nicht an seine eigenen Vorgaben und auch nicht an seine Satzung hält. Es gibt zu viel Gemauschel. Zudem haben sie wenig Ahnung von Business und stellen sich nach außen sehr ungünstig dar. Für Profis wird so gut wie gar nichts gemacht und der MZ ist für diese an sich überflüssig.
Weiter ist anzumerken, dass die Grundeinstellung über die eigene Kunst dysfunktional ist und der MZ mit für das negative Bild der Zauberei verantwortlich ist. Ja, Magie und Zauberei hat einen sehr negativen Touch in der breiten Öffentlichkeit. Die schlimmsten Zauberer sind meistens diejenigen, die auf ihren Visitenkarten und Werbebrochüren die Aussage “Mitglied im Magischen Zirkel von Deutschland” haben.
Natürlich wäre es schön, wenn der MZ eine Qualitätsstufe hätte und es wirklich etwas bedeuten würde in diesem Verein Mitglied zu sein. Dem ist aber leider bei Weitem nicht so. In den meisten Ortszirkeln gibt es irgendwelche selbst ernannten Lehrer, die meinen sie wären die Größten, machen es aber nur als Hobby oder semiprofessionell. Dann erklären sie den Jungen, wie etwas geht und wie es anscheinend auszusehen hat. Die wissen es nicht besser und machen den Quatsch dann nach. Und so geht es dann immer weiter.
Für Kritik ist man auch nicht offen und sie fangen an, alles schön zu reden. Der beste Spruch ist dabei immer: “Das merkt der normale Zuschauer nicht.” Weit gefehlt! Letztendlich ist es meistens so: Der Blinde erklärt dem Tauben die Farben. Das gilt nicht nur für die Zauberei, sondern für das gesamte Auftreten (Image, Business und Zauberkunst). So sehe ich das zumindest.
Deswegen bin ich auch wieder ausgetreten. Ich habe einfach einen anderen Anspruch.
Natürlich wäre es möglich etwas zu ändern, dafür müsste aber die Bereitschaft da sein. Hier ein paar erste Punkte, die unbedingt und möglichst schnell geändert gehören:
Mitgliedsbeiträge nach oben mind. 100 Euro pro Monat.
Aufnahmegebühren (mind. 4‑stellig) gekoppelt mit der Aufnahmeprüfung, wer durchfällt, hat Pech gehabt und muss erneut antreten, Gebühr wird erneut fällig.
Anspruchsvollere Aufnahmeprüfung mit Kunststücken aus allen Bereichen der Magie. Diese muss man einfach können.
Derzeitige Mitglieder überdenken und aussieben.
Klare Satzung, Regeln und Etikette wie z.B. bei der Sportart Golf. An diese haben sich dann alle Mitglieder zu halten. Keine Ausnahme!
Jugend- und Künstlerförderung mit speziellen Seminaren von Menschen und Künstlern, die wirklich etwas zu sagen haben und vor allem im täglichen Business sehr erfolgreich sind. Nur Profis! Wenn mehr Geld da ist, kann man hier auch etwas komplett anderes aufbauen und für Qualität sorgen.
Wahrscheinlich wird dies alles aber nicht passieren, weil niemand den Arsch in der Hose hat, dies anzusprechen und weil sich niemand mit dem vorhandenen System und den Mitgliedern anlegen will.
Genau das ist aber der Fehler. Dann müssten natürlich Positionen neu besetzt werden, bzw. Berater hinzugezogen werden die wissen wie man Qualität, ein Image … baut. Bei den Beratern muss man auch ganz genau hinschauen, weil es auch in diesen Bereichen sehr viel Mist gibt. Die Gefahr ist groß an die falschen zu geraten.
Möglich wäre auch, einen neuen Verein nur für Profis zu gründen und dann die Hobbyisten sowie Amateure davon zu trennen. Das würde bedeuten, keine Profis mehr im MZvD. Die Mitglieder haben im neuen Verein strenge Richtlinien und Vorgaben zu erfüllen, die klar messbar sind (von der Qualität der Magie über Image, bis hin zu einem Mindestverdienst den jedes Mitglied pro Jahr haben muss, beispielsweise 120.000 Euro).
Dieser Verein stellt sich dann entsprechend dar und grenzt sich deutlich von den Amateuren ab und steht dann tatsächlich für magische Gesamtqualität. Das müsste natürlich entsprechend nach außen kommuniziert und aufgebaut werden. Natürlich müssten die Gründer ebenfalls Vollprofis sein. Für alle Mitglieder gibt es dann Treffen mit entsprechenden Themen, Seminaren, Workshops und Kongressen.
NAM:Wie würdest Du die Jugend in der Zauberkunst fördern?
THORSTEN:Ihnen sagen, was sie lesen und üben sollen und ihnen den Rost runter lassen und alle Selbstüberschätzung nehmen.
NAM:Was sind für Dich die wichtigsten Dinge, die ein angehender Zauberer beherrschen sollte?
THORSTEN:Grundlegende Techniken in der Kartenzauberei (ich sage mal Kartenschule Teil 1 und 2 von Roberto Giobbi), gutes Münzverschwinden/Münzpalmagen, gute Falschübergaben, natürliches Handling von normalen Gegenständen, vier bis fünf überzeugende Stegreifeffekte, Daumen-/Fingerspitzenarbeit, in der Mentalmagie ein paar Zettelmethoden (Austausch, Center Tear, KEINE ELEKTRONIK), Becherspiel, Chop Cup, verschiedene Manipulationstechniken, Ausstrahlung, Entertainmentfähigkeiten. Darauf wird dann weiter aufgebaut. Im Gesamten dauert es sicher viele, viele Jahre, bis man das alles kann. Ich bin ja selbst noch dabei dies alles zu lernen und zu verbessern. Und ich mache das jetzt schon seit 20 Jahren. Es ist aber noch kein Ende in Sicht.
NAM:Findest Du Wettbewerbe sinnvoll und was nützen sie?
THORSTEN:Nein und zudem sind sie meiner Meinung nach absolut überbewertet.
Nutzen: vielleicht gut in der Werbung. Sonst eher schlecht. Warum? – Die Wenigsten können wirklich etwas. Meist werden nur die 10 Minuten geübt, um eine Kür zu haben. Daneben ist nichts vorhanden, keine Basis.
Dann wird ein Preis gewonnen und nach außen heißt es: deutscher Meister. Nun werden völlig andere Programme und abendfüllende Shows beworben, die allerdings nichts mit dem Preis zu tun haben. Oft ist es dann noch schlecht. Zumindest war es bei den letzten Shows, die ich mir angeschaut habe immer so, bis auf eine. Die Zuschauer sagen dann: Ach, das war also der deutsche Meister … Und schon wieder ist der Ruf für die Magie dahin. Wenn überhaupt wären Auszeichnungen für komplette Shows gut. Für mich ist der beste Wettbewerb das Auftreten vor normalen Menschen. Wenn diese begeistert sind, hast du den Abend gewonnen und sie erzählen das weiter und die weiteren Shows sind ebenso voll.
NAM:Braucht es Wettbewerbe in der Zauberei?
THORSTEN:Nein, lieber gute Einzelshows, bei Galas gute Künstler, so wie damals bei Manfred Thumm “The magic Hands”. Neue Künstler sollen sich per Video bewerben oder es muss ein Team geben, welches sich Shows und Künstler anschaut, die man noch nicht kennt.
NAM:Was war die beste Show, die Du in diesem Jahr 2012 live gesehen hast?
THORSTEN:Derren Brown
NAM:Wie machst Du Marketing für die STROTMANNs Magic Lounge?
THORSTEN:70% meiner Zuschauer kommen auf Empfehlung, ca. 20% übers Internet. Der Rest verteilt sich auf Zeitungsanzeigen, Messen und ein paar klassische Werbekooperationen. Momentan haben wir eine Auslastung von über 80% im Jahr. Das ist schon ganz ordentlich, vor allem bei ca. 200 Soloshows pro Jahr im eigenen Haus. Die Mundpropaganda ist die beste und nachhaltigste Werbung. Wenn eine Show durch Empfehlungen nicht voll wird, muss man sich sehr gute Gedanken machen, warum das so ist. Vor allem ist die Empfehlung auch noch kostenlos und die günstigste Werbung.
Es ist übrigens überhaupt kein Problem, und auch keine hohe Leistung, mal eine Wochenendgala mit ein paar Shows oder eine Show am Abend ausverkauft zu bekommen. Und natürlich ist es schön, wenn man dies hat. Eine Leistung ist es, z.B. 100, 200, 300 … Shows pro Jahr über mehrere Jahre zu spielen und alle ausverkauft zu haben. Und das durch Empfehlung. Wenn die Zuschauer dann noch bereit sind, höhere Preise als normal zu bezahlen, weißt du, dass du wirklich etwas erschaffen hast, was die Menschen sehen wollen, was sie begeistert, was sie schätzen und was sie gerne weiter erzählen.
Und das geht in der Magie sehr wohl. Auch ohne Comedy, ohne TV-Präsenz und auch, obwohl der Ruf nicht der beste ist. Das Schöne dabei, du kannst den Ruf für dich jederzeit ändern und dein Image selbst aufbauen.
Das Schlechteste, was man machen kann, ist, wenn man über den Preis verkauft oder anfängt Eintrittspreise zu rechtfertigen. Bei uns im Theater bezahlen die Besucher sehr gerne die Preise und es gab noch nie eine Beschwerde, das es zu teuer ist. Im Gegenteil.
NAM:Wenn Du ein Seminar besuchst, hast Du einen Plan oder Vorgaben? Wie holst Du das meiste aus einem Lecture heraus?
THORSTEN:Gut zuhören und mitschreiben. Seminarheft kaufen. Mit dem Künstler Kontakt aufnehmen.
NAM:Ich danke Dir, Thorsten, für dieses ausführliche Interview und wünsche Dir und Deiner Frau einen Riesenerfolg bei eurem Projekt “Strotmanns Magic Lounge”!