Diese kleine Abhandlung soll dir einen Einblick geben in die Art und Weise, wie ich meine Effekte bzw. Routinen kreiere und zusammenstelle. Außerdem will ich dir Anregungen und Tipps geben, wie du deine eigene Kreativität besser entfalten kannst.
Öfters werde ich gefragt: „Sag mal – wie machst du das eigentlich, dass du immer so viele Ideen hast?“ Nun, die Antwort ist ganz einfach: Genaugenomen habe ich gar nicht so viele „neue“ Ideen, ich setze nur das, was ich bereits im Kopf habe, anders zusammen zu etwas, was dann neu aussieht. Wie in der Musik spiele ich mit den zur Verfügung stehenden Noten immer wieder neue Lieder und Variationen von bekannten Liedern.
Die ehrliche Antwort auf die oben gestellte Frage lautet also: „Ich klaue die besten Ideen zusammen von überall und von jedem. Aus diesen setze ich dann etwas Neues zusammen.“
Ich verwende dabei auch Checklisten, die speziell auf die Zauberei zugeschnitten wurden. Diese Checklisten bestehen aus den Fragen, die mir beim Kreieren eines Kunststückes durch den Kopf gehen. Je mehr gute Fragen man sich bei einem Entwicklungsprozess stellt, desto besser wird das Ergebnis. Vorausgesetzt natürlich, dass man die aus den Fragen resultierenden Probleme dann auch löst.
Beim Kreieren gehe ich nach gewissen Regeln vor, die ich mir im Laufe der Jahre erarbeitet habe und die sich als brauchbar erwiesen haben. Manche sagen dazu auch de Cova Touch und es fällt auf, dass eine Routine von mir eindeutig als eine solche erkannt werden kann, sowie eine Routine von z. B. JUNO seine Handschrift trägt. Das ist klar, denn wir beide arbeiten nach gewissen Prinzipien und einem System, nach denen neue Routinen oder Programme zusammengestellt bzw. konstruiert werden. Diese Prinzipien basieren auf dem vorhandenen Wissen und der persönlichen Erfahrung, natürlich auch auf gewissen persönlichen Präferenzen. Beim Kreieren gilt für mich vor allem die Devise: „Weniger, aber dafür besser“ (Less but better). Nicht die Quantität der Ideen ist entscheidend, sondern deren Qualität.
Es gibt ein Buch von Austin Kleon mit dem Titel Steal like an Artist (in deutsch heisst der Titel „Alles nur geklaut“). Das Buch kann sehr preiswert bei Amazon bestellt werden Austin Kleon – Alles nur geklaut. Es ist ein hoch interessantes und gut geschriebenes Buch zum Thema Kreativität. In seinem Buch beschreibt er mit schonungsloser Ehrlichkeit, was kreative Leute wirklich und vor allem anders machen und wie man selber in diesem Bereich besser wird. Vieles von dem, was er schreibt, mag einem am Anfang etwas befremdlich vorkommen, wenn man jedoch länger darüber nachdenkt, wird man dem Autor Recht geben müssen.
Nihil novi sub sole
Nichts Neues unter der Sonne: Dieser Satz beinhaltet eine sehr wichtige Tatsache, die man akzeptieren und verstehen muss, wenn man kreativ sein will. Der Schriftsteller Jonathan Lethem sagte, dass wenn die Leute etwas „neu“ oder „innovativ“ nennen, dann kennen sie in neun von zehn Fällen einfach nicht die Referenzen oder die ursprüngliche Quelle, aus der es stammt. Die falsche Vorstellung, etwas „Neues“ kreieren zu müssen (und der damit einhergehende Druck), hält viele Zauberer davon ab, kreativ zu sein. Es steht bereits in der Bibel geschrieben: „Es gibt nichts Neues unter der Sonne.“ Und so verhält es sich auch (besonders) in der Zauberkunst. Es gibt nichts wirklich komplett Neues und Originelles in unserer Kunstform! Alles, was „neu“ erfunden wird, ist in irgendeiner Form schon einmal da gewesen. Oder: Man kann jede neue Erfindung auf einen Ahnen zurück leiten. Alles hat sich irgendwann einmal aus irgendetwas entwickelt. Es gab immer einen Vorläufer.
Der französische Schriftsteller André Gide sagte: „Alles, was gesagt werden muss, wurde schon einmal gesagt. Da die Menschen aber nicht zuhören, muss man es eben noch einmal sagen.“
Manche mag dieser Gedanke deprimieren. Man kann aber auch anders herangehen und diese Tatsache im positiven Licht sehen: Dadurch, dass wir nicht mehr etwas „Neues“ erfinden müssen, können wir uns darauf einlassen, inspiriert zu werden und die Kreationen derer, die vor uns waren, erst richtig wertschätzen und etwas daraus machen.
Ein guter Künstler weiß, dass nichts aus dem Nichts entstanden ist. Alles Kreative folgt dem, was vorher war. Nichts ist vollkommen ursprünglich. Es gibt immer einen Vorläufer – für alles. Bei den Ideen ist es wie bei der Genetik. Du bist das Produkt deiner Mutter und deines Vaters (und der anderen Ahnen). Du trägst die Genetik beider deiner Eltern in dir, bist aber mehr als nur die Summe der beiden. Du bist ein Remix deiner Eltern und Urahnen.
Jede Idee (und wenn sie noch so neu aussieht) ist ein Remix aus vielen verschiedenen Ideen, die wiederum von verschiedenen Leuten zusammen gemischt wurden. Es gibt keine Idee, die vollkommen neu ist und die aus dem Nichts entsprungen ist. Die Qualität dieses Remix entscheidet über die Qualität der Idee – es ist entscheidend, wie originell die Idee neu „gemixed“ wurde.
Im Gegensatz zur Genetik, wo du dir ja deine Eltern nicht aussuchen konntest, hast du bei den anderen Dingen in deinem Leben die freie Wahl, was du in dein Leben hinein lässt und was nicht. Du kannst dir deine Lehrer aussuchen, deine Freunde, die Musik, die du hörst, die Filme du dir ansiehst, den Beruf, den du ausübst, usw.
Diese Dinge, die du selbst entscheidest, bestimmen dein Leben. In der Zauberei ist es genauso: Du entscheidest, welche Tricks du vorführst, wie sie gestaltet werden und du entscheidest auch, wessen Ideen du für dich annimmst und welche nicht. Goethe sagte schon: „Wir werden geformt und gestaltet durch das, was wir lieben.“
Der Ideensammler
Ein guter Künstler ist ein beherzter Sammler von Ideen, die er sorgfältigst auswählt. Dieses Sammeln bedeutet aber nicht, ein Messie zu sein. Ein Messie sammelt blind so ziemlich alles, was ihm unter die Finger kommt – auch den Müll. Viele Zauberer sind, was das angeht, „Trick-Messies“.
Du kannst nur so gut sein, wie die Menschen und Dinge, die dich umgeben. Das kreative Leben ist ein fortlaufender Prozess: sammeln, validieren und wieder wegwerfen. Man könnte fast sagen: „Müll rein – Müll raus“.
Deine Aufgabe ist es, so viele gute Ideen wie möglich zu sammeln und den Müll zu vermeiden. So hast du mehr Auswahl, von welchen Ideen du dich beeinflussen und inspirieren lässt. Du sollst nur Ideen ansammeln, die du wirklich liebst.
Aus diesen gesammelten Ideen stellst du dann neue Dinge zusammen, die so noch nicht da waren. Das ist der kreative Prozess beim Trickerfinden.
Wo gehören die Ideen hin?
Ganz klar: in ein Notizbuch. Ich verwende dazu seit Jahren meine schwarzen Moleskins. Eine Idee, die nicht aufgeschrieben wird, ist so gut wie verloren, das ist eine altbekannte Tatsache. Gewöhne dir an, jede (noch so unscheinbar wirkende) Idee möglichst sofort aufzuschreiben und später in dein bevorzugtes Ordnungssystem einzuordnen.
Gewöhne dir an, immer ein Notizbuch und etwas zum Schreiben bei dir zu tragen. Gute Ideen und Inspirationen gehören sofort notiert, sonst sind sie verloren. Auf diese Weise baut man sich im Laufe der Zeit ein wertvolles Arsenal an „Werkstoffen“ und „Werkzeugen“ zusammen, aus denen man später Tricks und Routinen kreieren kann.
In diesem Zusammenhang spreche ich gerne von meiner kreativen „Leichenhalle“. Die Moleskins mit den Ideen darin sind wie eine Leichenhalle zu sehen, in der die einzelnen Komponenten konserviert werden und auf eine Reanimierung warten. Wenn ich dann eine neues „Frankenstein-Monster“ erschaffen will, gehe ich einfach in meine Leichenhalle und hole mir dort die benötigten Einzelteile.
Klauen ist gut!
Jeder Kreative wird irgendwann einmal von den anderen gefragt: „Woher nimmst du deine Ideen?“ Die einzig wahre und ehrliche Antwort auf diese Frage müsste eigentlich lauten: „Ich klaue!“
Jeder Künstler hat damit angefangen, zuerst einmal seinen Helden nacheifern, diese zu kopieren und ihre Ideen zu klauen. Wir Menschen lernen alles, was wir können, durch nachmachen und kopieren. Babys lernen so sprechen, und Erwachsene lernen so neue Dinge. Die Beatles und die Rolling Stones fingen als Coverbands an, d. h., sie spielten die Musik anderer. Bis sie ihren eigenen Stil fanden. Niemand kommt mit einer eigenen Stimme und Musik auf die Welt. Am Anfang wissen wir nicht, wer wir sind.
Es ist verbürgt, dass Pablo Picasso einmal sagte: „Kunst ist Diebstahl.“ Dieser Aussage kann ich nur zustimmen. Aber es kommt eben darauf an, WIE man „stiehlt“. Klauen ist nicht gleich klauen.
Die unreifen Künstler klauen und imitieren das Original ohne weiter nachzudenken. Das nennt man dann ein Plagiat. Die guten Künstler hingegen klauen, um dann aus dem „Diebesgut“ etwas Neues oder Anderes zu schaffen. Das ist der grundlegende Unterschied. Gute Künstler klauen aber nicht nur bei einem, sondern bei allen! Der Karikaturist Gary Panter sagte einmal: „Wenn du deine Ideen nur bei einer Person beziehst, werden alle sagen, du bist der nächste Soundso. Aber wenn du hunderte beklaust, dann werden sie sagen, dass du originell bist.“
Wichtig ist vor allem, dass du dir bei deinen Diebeszügen keinerlei ethische Gedanken machst. Klaue alles von jedem alles und das zu jeder Zeit. Wann immer dir eine Idee gefällt, klaue sie! Gefällt dir ein Bild, mache eine Kopie davon. Gefällt dir ein Trick, schreibe ihn auf. Behalte immer die Ethik eines Künstlers im Auge: Es ist wichtig, was du später aus den geklauten Sachen machst. Einfach nur imitieren geht überhaupt nicht! Du musst aus der Sache etwas Besseres machen, zumindest aber etwas, das anders als das Original ist.
Du musst an den Punkt kommen, an dem du deinen Helden nicht mehr nur imitierst, sondern an dem du ihm nacheiferst. Das ist ein Riesenunterschied. Wenn du ihm nacheiferst, dann wird seine Arbeit die Grundlage für deine Arbeit sein und du wirst in das hineinwachsen, was man das „Du selbst“ nennt. Dann bist du auf dem Weg zum Unverwechselbaren.
Zuerst sollte man sich natürlich überlegen, ob etwas es wert ist, geklaut zu werden. Die Fähigkeit, hierbei die richtige Auswahl zu treffen, unterscheidet den wahren Künstler vom Dilettanten. Ein wahrer Künstler klaut nur etwas, was er auch liebt. Nur so kann er später aus dem Geklauten etwas Neues erschaffen.
Ist die Sache es nicht wert, geklaut zu werden, dann gehe weiter und suche nach etwas anderem. Das ist der Kreislauf eines jeden Kreativen und die Grundlage der Ideenfindung.
Die Ahnentafel
Jede Idee hat eine „Geschichte“ und stammt von irgend jemandem ab. Im Schaubild wird dies anhand meiner „Papierflieger-Tafel“ dargestellt. Man kann die vielen Künstler sehen, die alle mit ihren Ideen an der Kreation des Papierflieger Effekts beteiligt gewesen sind – aktiv oder passiv.
Die Tafel habe ich nicht „einfach so“ aus dem Nichts kreiert, sondern sie ist das Produkt vieler kleiner und großer Ideen anderer. Jeder einzelne hat seinen Anteil, denn ich habe bei jedem etwas geklaut. Durch die Beschäftigung mit den Arbeiten von Theo Annemann, Al Mann, Tarbell, Dunninger, Al Baker und Richard Himber habe ich viel über die verschiedenen Tafeln und Prinzipien gelernt. Dies war meine Ausgangsbasis. Dann kam Toni Forster mit dem Papierflieger-Effekt, der wiederum von einer Idee von Banacheck inspiriert war. Banacheck wurde bei seinem Effekt von Annemann und Dunninger inspiriert.
Meine Idee war dann, den Papierflieger-Effekt mit Hilfe einer Tafel zu lösen. Dazu brauchte ich natürlich auch eine Methode, aber die gab es vorher in dieser Art noch nicht. Es gab Tafeln, die Klappen hatten, aber keine, in der ein Index steckt. Dann kam noch die Beeinflussung durch BRACO, der mir immer eingetrichtert hat, dass es gut wäre, wenn man einen Index verwendet und eine gute Force. Dieses Prinzip, um wirkungsvolle Mentalroutinen zu schaffen, habe ich die letzten Jahre weit möglichst eingehalten. Zum Tafelindex kam also noch die Problematik der Zahlenforce hinzu, die ich mit der in-kompletten 1089er Force gelöst habe. Und so habe ich dann meine Version des Papierflieger-Effekts erschaffen.
Man kann aber auch noch etwas anderes erkennen: Jeder dieser Künstler wurde wiederum von einem oder mehreren anderen inspiriert. So wird die Ahnentafel nach oben immer größer und weit verzweigter. Und jetzt ist es auch klar, warum es eigentlich nicht wirklich etwas neues gibt. Alles besteht aus Ideen, die vorher schon da waren. Es setzt sich aus verschiedenen Einzelteilen zusammen, die von verschiedenen Leuten stammen. Oder von Dingen aus der Natur. Die Kunst dabei ist, diese Einzelkomponenten richtig zusammen zu setzen.
Werkzeuge
Irgendwann einmal sind dann Ideen und Konzepte vorhanden und man kann damit anfangen, seine eigenen Tricks und Routinen zu kreieren. Beim Prozess des Kreierens und Zusammenstellens von Ideen können die verschiedensten Kreativtechniken zum Einsatz kommen.
Es gibt verschiedene Methoden, die Kreativität anzukurbeln und das Kreieren von Kunststücken zu vereinfachen oder wenigstens zu optimieren. Viele dieser Techniken, die auch in anderen kreativen Bereichen angewendet werden, können uns beim Erschaffen einer Routine nützlich sein. Meistens geht es bei diesen Techniken darum, die Problematik aus einer anderen Sichtweise zu betrachten, den Standpunkt zu verändern. Dadurch ergeben sich völlig neue Betrachtungsweisen und die „Mechanik“ des Tricks erscheint in einem neuen Licht. Gleichzeitig wird auch die Assoziation gefördert und man verbindet plötzlich Sachen miteinander, die vorher ohne Zusammenhalt erschienen.
Lesen, lesen und nochmals lesen!
Wenn man es sich einfach machen will, keine eigenen Ideen hat und einen relativ schnellen Start haben will, dann schaut man am besten zuerst einmal in den alten Büchern und Zeitschriften nach. Dort finden sich abertausende gute Trickideen und Kunststücke, die nur darauf warten, wiederbelebt und modernisiert zu werden.
In einem Gespräch mit Gaetan Bloom sagte er mir, dass er das auch so macht und bevorzugt die „alten“ Sachen liest, die ihn immer wieder zu Neuem inspirieren. Irgendwas scheint an dem „alten Zeug“ dran zu sein! Ein kluger Mann sagte einmal: „Eine der besten und wichtigsten Dinge, die man haben kann, ist eine Bibliothek mit ungelesenen Büchern!“
Ein typisches Beispiel wäre, aus den bereits vorhandenen hunderten von Kerzentricks die Kerze gegen einen anderen, modernen Gegenstand zu ersetzen und die Trickmechanik beizubehalten. Schon hätte man wieder jede Menge „neue“ Kunststücke!
Besonders hilfreich und inspirierend finde ich die alten Zeitschriften wie SPHINX (ca. 1900), Annemanns JINX, THE GEN oder ABRACADABRA. Daneben gibt es noch ein paar weniger bekannte wie CHAP’S SCRAPBOOK oder die tollen Publikation von Stephen Tucker, das PABULAR Magazin, APOCALYPSE, PALLBEARER’S REVIEW, EPILOGUE, OPUS u.v.m. Alle diese Zeitschriften beinhalten eine Unmenge an wertvollen Ideen, die heute nicht mehr (oder nur sehr wenig) bekannt sind. Richtig umgesetzt, sind sie für die Zuschauer heute wieder wie neu. Dabei tendiere ich zu den Klassikern und bei denen liebe ich die Enzyklopädien: Encyclopedia of Card Tricks, Encyclopedia of Rope Tricks, Encyclopedia of Silk Magic, usw. Und natürlich den Tarbell Course, den ich übrigens immer wieder lese. All diese Bücher liefern gutes Grundmaterial, und ich habe schon sehr viele Inspirationen daraus gewonnen. Vor allem aber haben sich die dort beschriebenen Kunststücke über die Jahre bewährt. Man muss sie nur „updaten“, was in den meisten Fällen keinen allzu großen kreativen Aufwand erfordert.
Gerade beim Umarbeiten dieser „alten“ Routinen verwende ich gerne die „Osborne-Checkliste“ oder die „SCAMMPERR“ Methode (wird später beschrieben). Diese Vorgehensweise spart Zeit und regt den kreativen Prozess an.
Händlerkataloge
Es gibt sehr gute Händlerkataloge. Gerade die älteren Kataloge aus den 40er und 50er Jahren bergen wahre Schätze an Trickideen. Natürlich steht die Methode nicht beschrieben, aber immerhin der Effekt und wie er für die Zuschauer aussehen soll. Oft sind auch Zeichnungen dabei, die den Kreativprozess anregen. Da findet man teilweise wirklich tolle Sachen, weil die Beschreibungen von den Händlern meistens so geschrieben wurden, dass der Trick auch ja gekauft wird (oftmals wurde da auch maßlos übertrieben und gewisse tricktechnische Details weggelassen).
Da man die Methode nicht kennt, steht man vor einer wahren kreativen Herausforderung, vor allem wenn man versucht, möglichst nahe an der Katalogbeschreibung des Effekts zu bleiben. Wenn man versucht, die Tricks aus den Katalogen umzusetzen, dann ist das fast wie „Reverse Engineering“. Man hat den Effekt und wie er aussehen soll und arbeitet sich dann rückwärts zur Funktionsweise durch, indem man den Effekt in die einzelnen Phasen bzw. Ablaufschritte „zerlegt“ und für jeden einzelnen Schritt versucht, eine Lösung zu finden. Ich habe das oftmals gemacht, nur zum Spaß, und dabei kamen ganz tolle und bemerkenswerte Ergebnisse heraus. Sehr oft konnte ich sogar für einen Effekt gleich mehrere brauchbare Lösungen finden.
Was wäre wenn?
Es ist beim Kreieren immer gut, Fragen zu stellen. Je mehr Fragen man stellt, desto besser. Gute Fragen sind: „Warum nicht…?“ oder „Was wäre, wenn ich…?“.
Ein Beispiel: Es soll die Unterschrift eines Zuschauers auf einer Spielkarte als (vorzeigbares) Duplikat auf einer anderen Karte vorhanden sein. Damit kann man einige sehr starke Tricks vorführen. Doch wie kommt die Unterschrift auf die andere Karte, ohne dass der Zuschauer das merkt?
Es gibt eine (sehr gute) Lösung dafür. Diese bedient sich einer altbekannten Zeichentechnik, die die beiden Gehirnhälften anders einsetzt. Man kann ohne Mühe von einer einfachen Zeichnung oder Unterschrift ein Duplikat anfertigen, wenn das Original auf dem Kopf steht. Dies ist eine bekannte und funktionierende Technik, die aber so in der Zauberei nicht eingesetzt wurde, außer von Dr. Jaks, der das Duplizieren der Unterschrift eines Zuschauers auf einer Tafel als Abschlusseffekt seiner Darbietung zeigte. Man braucht nur dieses Prinzip auf Spielkarten anwenden und schon ist man in der Lage, die Unterschrift eines Zuschauers soweit zu „fälschen“, dass man ein (halbwegs vorzeigbares) „Duplikat“ hat.
Der wichtige Punkt aber, warum es zu dieser Lösung kam, ist, weil der kreative Magier die folgende Frage gestellt hat: „OK, ich brauche die Unterschrift eines Zuschauers ein zweites Mal. Was ist, wenn ich sie einfach nachzeichne?“
Ein wunderschönes Beispiel kommt von der amerikanischen Universitätsprofessorin Tina Seelig. Dieses einfache Beispiel zeigt deutlich, wie man die Lösungen zu einem Problem nur durch die Aufgabenstellung komplett verändern kann.
Bei der ersten Gleichung ist das Ergebnis klar und eindeutig. Das Resultat ist 10 und es gibt kein anderes Resultat. Verändert man aber die Gleichung wie im zweiten Beispiel gezeigt, ergibt sich eine ganz andere Situation. Plötzlich bemerken wir, dass es jetzt unendlich viele Lösungsmöglichkeiten gibt! Dies zeigt sehr deutlich, welche dramatischen Auswirkungen auf das Ergebnis es haben, wenn man die Fragestellung am Anfang verändert oder gar umkehrt.
Die sieben Zwergenhüte
Edward de Bono stellte 1986 seine von ihm entwickelte Kreativitätstechnik vor, die „Denkhüte von De Bono“ oder auch „Six Thinking Hats“ genannt wird. Dabei nehmen mehrere Teilnehmer in einer Diskussion über ein Thema jeweils einen anderen Standpunkt ein. Die verschiedenen Rollen und Standpunkte der Mitwirkenden werden durch verschiedenfarbige Hüte repräsentiert. In der Zauberei macht diese Methode großen Spaß, vor allem wenn man sie mit Zauberfreunden gemeinsam durchführen kann. Aber auch alleine durchgeführt ist sie effizient, erfordert allerdings ein recht breites und fundiertes Wissen. Also eher etwas für die Fortgeschrittenen unter uns.
Man stellt sich beim Trick vor, wie ihn ein anderer bekannter Zauberer gelöst hätte. Am besten, man führt diesen Trick dann auch in diesem Stil vor (man kann das ja in seinem Zimmer machen und die Türen schließen). So hat man Variationen des gleichen Kunststückes: wie es Juan Tamariz gemacht hätte, wie Dani DaOrtiz oder Lennart Green den gleichen Trick gezeigt hätten. Lustig und spannend wird es, wenn man z. B. ein Tuchkunststück von Lennart Green „lösen“ lässt (der ist ja nicht unbedingt bekannt für seine Tuchkunststücke).
Die De Bono Methode ist sehr hilfreich, um zu einer Problemstellung verschiedene Sichtweisen einzunehmen und somit die Möglichkeiten an Lösungen zu erweitern.
Brute Force Attack
Der Ausdruck „Brute-Force-Attack“ bedeutet „Attacke mit roher Gewalt“ und ist wohl die härteste Form, ein Kunststück zu kreieren. Dabei gehe ich zuerst vom Effekt aus und stelle mir wirklich unmögliche Bedingungen und Restriktionen. Die Methode interessiert mich am Anfang in keinster Weise, vielmehr detailliere ich in allen Einzelheiten, wie der Trick auszusehen hat. Diese sind teilweise natürlich in dieser Form nicht wirklich zu realisieren, helfen mir aber dabei, eine brauchbare Lösung zu finden.
Typische „Forderungen“ bei dieser Methode sind z. B. „Ich möchte einen Schirm mit 2,40 m Durchmesser erscheinen lassen, sodass die Zuschauer davon nichts mitbekommen, auch wenn sie umringt sitzen.“ (das habe ich übrigens in der Samurai-Darbietung geschafft). Oder: „Ich möchte die Unterschrift eines Zuschauers zweimal auf einer Karte haben.“ (auch das habe ich umgesetzt, sogar in einer praktischen und einfach auszuführenden Variante).
Die Idee hinter der Brute-Force-Methode ist, dass die Latte derart hochgelegt wird, dass man sich wirklich etwas einfallen muss, um wenigstens die Hälfte zu erreichen. Meistens ist die Hälfte dann aber schon gut genug für ein Mirakel.
Die Osborne Liste
Dies ist ein fast schon klassischer Weg, eine Neuentwicklung zu optimieren oder gar aus bestehenden Dingen etwas Neues zu erschaffen. Wenn man dieses System in der Zauberei ausprobiert, können interessante Ergebnisse entstehen. Besonders gut eignet sie sich, um z. B. einen Trick, den man in einem alten Magazin gefunden hat und der einem gefällt, in kürzester Zeit in ein neues Kleid zu stecken. Man nimmt das Kunststück und seine Technik und zerlegt es in seine einzelnen Komponenten. Diese werden dann alle den folgenden Fragen ausgesetzt:
Anders verwenden – Wie könnte x (wo)anders eingesetzt weden?
Anpassen – Was ähnelt x? Was könnte übernommen werden? Ändern – Welche
Aspekte/Merkmale von x können verändert werden?Vergrößern – Kann man x vergrößern/verstärken/erhöhen/verlängern?
Verkleinern – Kann man x verkleinern/abschwächen/verkürzen/verfeinern
Ersetzen – Was kann man an x ersetzen/austauschen?
Umstellen – Kann man Teile von x tauschen, die Reihenfolge ändern oder
Ursache-Wirkung umdrehen?
Umkehren – Kann man das Gegenteil von x machen? Wie sieht das Spiegelbild von x aus?
Kombinieren – Kann man x mit anderen Ideen verbinden?
Kann x Teil von etwas Größerem sein? Kann man x in kleinere Teile aufspalten
Transformieren – Kann man x zusammenballen/ausdehnen/komprimieren/verflüssigen?
Es ist eine der besten Methoden, die ich kenne, um eine Routine oder Technik zu ändern.
Die SCAMMPERR-Methode
Auch hier geht es wieder darum, das gerade Entwickelte einer Prüfung zu unterziehen, um weitere Möglichkeiten zu erforschen. Diese Vorgehensweise ähnelt der Osborne Checkliste. Es gibt hier nur noch detailliertere und etwas anders formulierte Fragen. Beide Checklisten sind hervorragende Mittel zur Trickerfindung, vor allem, wenn man etwas bestehendes verändern oder verbessern will.
Der Gestaltungsprozess
Es gibt einige sogenannte Weisheiten in der Zauberei, die immer wieder zitiert werden. Eine dieser Aussagen ist die: Die Methode ist absolut unwichtig. Nur der Effekt zählt.
Ich denke da ein klein wenig anders. Die Methode ist sehr wohl wichtig, denn nur durch die richtige Methode wird aus einer Idee ein Kunststück. Was nützen denn die tollsten Ideen, wenn es keine praktische Methode gibt, sie in der Realität umzusetzen?
Oftmals sehe ich ein altes, schon vergessenes Hilfsmittel, welches über viele Jahrzehnte gut funktioniert hat. Zu diesem Hilfsmittel, dessen Funktionsweise ich kenne und beherrsche, fallen mir dann andere Effekte bzw. Einsatzmöglichkeiten ein. Aber es ist eben das Hilfsmittel, was den eigentlichen kreativen Prozess auslöst und mich ein neues Kunststück kreieren lässt.
Am allerwichtigsten ist natürlich, dass die Methode vor allem täuschend sein muss. In der Zauberei gibt es nun mal gewisse Gesetze, an die man sich zu halten hat, wenn eine Täuschung funktionieren soll. Viele der heutigen Tricks (vor allem die 1‑Trick-DVDs aus den USA) ignorieren diese Gesetze und es kommen dabei oft Konstrukte heraus, die niemanden täuschen, außer den Besitzer selbst.
Es ist natürlich jedermanns gutes Recht, sich Spielzeug zu kaufen und an dessen Funktionsweise zu erfreuen. Jedoch ist es eine andere Sache, wenn man dieses Spielzeug vor normales Publikum bringt und dann dafür auch noch Geld haben will. Leider passiert das aber heutzutage immer häufiger. Ich denke nur an den Unfug, der mit den verschiedenen Schwebegimmicks und unsichtbaren Fäden überall und zu jeder Zeit angerichtet wurde. Solche Dinge schaden der Zauberei und die vielen verantwortungslosen Zauberhändler tragen eine Teilschuld an dieser Entwicklung.
Sind weniger Griffe besser?
Sicher hast du diese Aussage schon irgendwo einmal gehört oder gelesen: „Wenn du einen Griff in einer Routine eliminieren kannst, hast du ein besseres Kunststück. Wenn du dann noch einen zweiten und dritten Griff entfernst, dann hast du ein Wunder.“
Diese Aussage stimmt (wenn überhaupt) nur zum Teil. Meistens ist es zwar zutreffend, dass man, wenn man die Anzahl der Griffe reduziert, eine bessere und vielleicht auch weniger komplizierte Routine bekommt. Wenn man aber jeden Griff eliminiert, dann wird notwendigerweise die Methode auf irgendeine Art und Weise verkompliziert. Meistens muss man auf ein Hilfsmittel ausweichen. Besonders in der Kartenzauberei kommen dann Routinen heraus, die nur noch monströse, langweilige Abzähltricks sind und nach Mathematik schreien.
Griffe sind nun einmal wichtige Techniken in der Zauberei. Wer nicht Willens ist, sich wenigstens ein Grundrepertoire an fundamentalen Techniken anzueignen, der hat auch keinen Platz in der Zauberei verdient. Ein Musiker, der sein Instrument nicht beherrscht, geht ja auch nicht auf die Bühne und verlangt Geld dafür.
Die Überlegung, welche Technik man in einer Routine wo und wie einsetzt, ist von großer Bedeutung und man sollte sich Zeit für die richtige Entscheidung nehmen. Voraussetzung ist ein fundiertes und tiefgreifendes Wissen, sodass man eine große Auswahl an Techniken hat.
Hofzinser vs. Youtube
Was zu Zeiten Hofzinsers vielleicht noch wie ein Wunder gewirkt haben konnte, entlockt dem heutigen Publikum nur ein müdes Lächeln. Die Zeiten haben sich geändert. Das gilt ganz besonders für die Mentalmagie. Die Menschen wissen Bescheid über Mini-Kameras, Knopfmikrofone und sogar Kugelschreiber, die eine Minikamera eingebaut haben und das Geschriebene per Funk übertragen. Wir müssen umdenken und die Veränderungen der modernen Welt akzeptieren. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Zauberei von der Öffentlichkeit als Spielkram abgetan wird.
Das bedeutet, dass für jeden Zuschauer klar erkennbar sein muss, dass der Vorführende der Auslöser und die Ursache für die Wunder ist, und nicht die verwendeten Geräte und Requisiten. Dazu eignen sich Kunststücke, die mit unverfänglichen aussehenden Requisiten oder Alltagsgegenständen ausgeführt werden, am besten.
Der Traum vom Blockbuster
Einmal hatte ich einen Schüler, der meine Hilfe brauchte bei der Gestaltung einer Wettbewerbsdarbietung in der Sparte Close-up. Einer seiner Ideen war, dass seine Füße zu einem Zeitpunkt unabhängig vom Oberkörper einmal um den Close-up Tisch herumlaufen. Eine Mini-Illusion am Close-up Tisch.
Soweit, so gut. Das Problem wäre ja nicht so sehr, eine Illusion am Tisch vorzuführen. Steve Fearson und andere haben bewiesen, dass es z.B. durchaus möglich ist, am Tisch zu schweben. Die Frage ist eine andere. Was soll der Effekt, dass der Unterleib alleine einmal um den Tisch spaziert, denn bei den Zuschauern auslösen? Und vor allem: Was hat dieser Effekt dann mit der nachfolgenden Close-up Routine zu tun? Wo und was ist die Motivation?
Dies ist ein hervorragendes Beispiel für das um sich greifende Denken in der heutigen Zeit. Tricks sollen aussehen wie die Specialeffects in einem Hollywood Blockbuster, wie Trickfotografie. Das Problem ist, dass so etwas nur mit enormen finanziellen und technischen Aufwand zu realisieren ist. Ein Beispiel war die Bühnenshow von Christian Fechner, bei der man wirklich an Zauberei glauben konnte, so unglaublich waren die Effekte. Der Preis dafür war sehr hoch: Es musste eine komplette Bühne in der Bühne (!) gebaut werden und die Vorführung erforderte mehrere trainierte Mitarbeiter hinter der Bühne. Es ist besser, sich von diesem Trend zu distanzieren und eine natürliche und glaubhafte Zauberei anzustreben, die nicht von Specialeffects überladen ist, sondern den eigentlichen magischen Effekt genug Spielraum und „Luft zum Atmen“ lässt.
K.I.S.S.
Vor vielen Jahren hatte ich meine kleine Videoserie genau so benannt: „Keep it Simple!“ In all den Jahren habe ich versucht, meine Routinen nach diesem wichtigen Design-Prinzip zu gestalten, und ich denke, dass mir das im Großen und Ganzen auch ganz gut gelungen ist. Leider gab es zu viele Zauberer, die meinen Leitspruch, ohne ihn wirklich zu verstehen, mit einem Grinsen einfach nur so nachgeplappert haben.
KISS ist die Abkürzung für Keep It Simple Stupid und es steht für ein Design-Prinzip, welches für die U.S. Navy entworfen wurde. Dabei ging es darum, dass die Maschinen derart gestaltet sein sollten, dass sie möglichst leicht zu bedienen sind und (mit einem Minimum an Werkzeugen) repariert werden können. Es gibt auch noch Variationen wie Keep It Short and Simple (halte es kurz und einfach) und Keep It Simple and Straightforward (halte es einfach und unkompliziert). Alle drei Varianten sind beim Design von Routinen von großer Bedeutung und sollten immer beachtet werden.
Für mich ist es das wichtigste Prinzip, wenn ich eine neue Routine zusammenstelle und die folgenden Zitate haben mir dabei immer sehr geholfen:
Einfachheit ist die höchste Stufe der Vollendung. (Leonardo da Vinci) Weniger ist mehr. (Mies van der Rohe) Perfektion ist dann erreicht, wenn nichts mehr hinzufügt werden kann und auch nichts mehr entfernt werden kann. (Antoine de Saint Exupéry) Man muss die Dinge so einfach wie möglich machen. Aber nicht einfacher. (Einstein)
Meine persönlichen Prinzipien bei der Gestaltung von Tricks und Routinen
Im Laufe der Jahre habe ich mir gewisse Dinge angewöhnt, die ich immer im Auge behalte, wenn ich eine Routine kreiere. Ich denke, dass sie auch dir helfen werden.
Wann immer möglich, verwende normale Alltagsgegenstände für deine Routinen. Natürlich können auch Gimmicks eingesetzt werden, die als alltägliche Gegenstände getarnt sind und bei denen man eine Präparation nicht vermutet. Willst du dennoch ein Zauberrequisit verwenden (was immer eine schlechte Wahl ist), dann muss dieses für die Zuschauer fremd erscheinende Requisit durch die Motivation und den Vortrag plausibel gemacht werden. Aber, wie gesagt, dies sollte eigentlich die letzte Möglichkeit sein.
Wann immer Gimmicks und Hilfsmittel eingesetzt werden, versuche, diese von den Requisiten zu trennen, sodass diese einer Untersuchung standhalten. Ein gutes Beispiel ist ein Trick wie das verschwindende Tuch aus Milchflasche. Die Flasche ist einfach nur eine unpräparierte Milchflasche, die den Zuschauern überlassen werden kann. Die Leute suchen dann das Geheimnis in der Flasche. Das Tuch kann ebenfalls vorher untersucht werden und der Pull im Jackett tut seine Arbeit unsichtbar und (hoffentlich) von den Zuschauern nicht vermutet.
Halte dir immer vor Augen, dass ein guter Effekt vor allem eines ist: einfach. Die Zuschauer müssen ohne Anstrengung begreifen können, was der Effekt ist und worum es geht. Ist der Ablauf zu verworren oder kompliziert, dann ist es dem Publikum nicht mehr möglich, den magischen Effekt wahrzunehmen. Wie Dai Vernon immer sagte: „Confusion is not magic.“
Gerade auch die Methoden sollte man daraufhin besonders unter die Lupe nehmen. Es nützt nichts, eine Methode zu verwenden, die den Effektablauf unnötig verkompliziert. Strebe immer nach der einfachsten Methode, die mit den einfachsten und zuverlässigsten Mitteln das Ziel erreicht.
Ein professioneller Künstler geht keine Risiken ein. Seine Methoden sind einhundert Prozent sicher und vor allem unkompliziert. Ein Profi will nicht durch schwierige Vorgehensweisen belastet sein, er möchte den Kopf frei haben für die Präsentation, den Umgang mit den Zuschauern, dem Beherrschen der gegebenen Auftrittssituation, usw. Je einfacher und sicherer die Methode ist, desto besser wird der Trick. Dieser Punkt ist einer der wichtigsten überhaupt beim Kreieren von magischen Effekten für normales Publikum. Komplizierte und technisch raffinierte Methoden interessieren nur uns Zauberkünstler, der Laie hat davon keine Ahnung.
Versuche technisch komplizierte Hilfsmittel zu vermeiden (das gleiche gilt übrigens auch für allzu komplizierte Setups bei Karten). Einer meiner Lieblings-Leitsprüche ist: Wenn ein Hilfsmittel aus mehr als drei beweglichen Teilen besteht, ist es ein Risiko. Damit will ich sagen, dass jede Klappe, jedes Scharnier und komplizierte Federn (Ringzieher!) oder Haken und Fäden brechen, reißen oder klemmen können. Bewegliche mechanische Teile bergen immer einen gewissen Risikofaktor in sich. Je weniger bewegliche Teile ein Hilfsmittel hat, desto besser. Auch aus diesem Grunde ist zum Beispiel der alte Gummischnur-Zug immer noch ein sehr zuverlässiges Hilfsmittel, genauso die der Einsatz der Schwerkraft als Motor für Trickmechanismen wie Züge o. ä.
NO ELECTRONICS, PLEASE! Natürlich ist mir klar, wie viele der heutigen Tricks auf komplizierten und auch raffinierten elektronischen Hilfsmitteln beruhen. Ich weiß auch über die Begeisterung, mit der diese Gimmicks bei den Zauberern angenommen werden. Dennoch sind es Spielzeuge, die auf Knopfdruck die Arbeit erledigen und die aufgrund ihrer komplizierten Bauart jederzeit versagen können. Und wenn einmal in einer Show etwas daneben geht, dann sollte man doch wenigstens sagen können, dass es ein menschliches Versagen gewesen ist, welches man beim nächsten Mal vermeiden kann, oder?
Versuche nur Requisiten und Hilfsmittel zu verwenden, die du bei deren Verlust leicht wieder beschaffen/ersetzen kannst. Es macht wirklich keinen Sinn, sich eine Nummer zusammenzustellen, die auf einem einmaligen und nicht mehr zu beschaffenden Requisit aufbaut oder davon abhängig ist. Dinge gehen nun mal verloren oder kaputt und man hat nicht so viele Kopfschmerzen, wenn alles im Programm relativ leicht ersetzt werden kann.
Beispiel einer Checkliste:
- • Ist der Effekt klar?
- • Kann ich die Methode noch vereinfachen?
- • Hat jemand eine bessere Methode?
- • Kann ich ein Hilfsmittel durch einen Griff ersetzen?
- • Kann ich den Griff durch eine Feinheit oder Raffinesse ersetzen?
- • Wo sind meine technischen Limitationen und/oder Schwierigkeiten?
- • Was kann schief gehen?
- • Habe ich Notlösungen vorbereitet?
- • Habe ich die toten Zeiten in einer Routine beachtet (Zuschauer kommt auf Bühne)?
Meine 15 besten Tipps für mehr Kreativität
Zum Schluss noch meine persönlichen Tipps, die ich selbst auch praktiziere und von denen ich weiß, dass sie eine großartige Wirkung haben. Es ist nicht schwer, sie in die Praxis umzusetzen.
1. Weg vom Computer! Bewegung ist wichtig für die Kreativität! Die meisten Kreativen sind sich einig, dass gute Ideen niemals vom Bildschirm kommen. Es sind immer tatsächliche Bewegungen in der richtigen Welt, die das Gehirn stimulieren. Beobachte Kinder, wie viel sie sich bewegen. Wir sitzen immer bewegungsloser vor unseren Bildschirmen und die einzigen Bewegungen sind Klicks mit der Maus. Der Rest des Körpers „ruht“ (im wahrsten Sinne des Wortes). Ein weiteres Problem: Wir können das Geschriebene nicht anfassen, alles bleibt hinter der Glasscheibe nur zum Anschauen. Das Motto sollte also wieder lauten: Schreiben, zeichnen, kritzeln und kleben mit der Hand anstatt am Computer zu tippen (oder copy & paste)!
Der Homunkulus zeigt es ja deutlich: Das Gehirn „sieht“ anders, als wir vielleicht denken. Bei beiden Modellen (sensorisch und motorisch) dominieren die Hände! Alles, was wir mit den Händen angreifen und machen, geht sofort ins Gehirn. Der kreative Prozess wird schneller in Gang gesetzt. Tatsache ist, dass genauso, wie das Gehirn mit dem Körper „sprechen“ und diesem Signale senden kann, es auch umgekehrt geht und der Körper mit dem Gehirn „spricht“.
2. Abwechslung im Tagesablauf Wenn man (und der Mensch ist nun einmal ein Gewohnheitstier) immer den gleichen Trott macht, dann werden die Trampelpfade im Gehirn immer tiefer und breiter. Um der Kreativität freien Lauf zu lassen, ist es wichtig, diese Bahnen möglichst oft zu durchbrechen. Ändere die Kleinigkeiten in deinem Tagesablauf: Gehe einen anderen Weg zur Arbeit, stelle die Tassen woanders hin, putze die Zähne mit der linken Hand usw… Ändere die vielen kleinen Gewohnheiten und variiere sie. Dadurch befindet sich das Gehirn in einem „Pass auf!“ Zustand und arbeitet besser. Dein Gehirn wird es dir mit Kreativität danken.
3. Stelle Fragen Je mehr, desto besser! Hinterfrage alles. Denke an das Beispiel von Tina Seelig mit den veränderten Variablen bei der Fragestellung. Gute Frage sind imer die Grundlage und Voraussetzung für kreative Lösungen.
4. Tagträumen Gewöhne dir an, jeden Tag ein bisschen „tagzuträumen“. Das ist wahre Entspannung und Stimulation für das Gehirn. Die besten Ideen hatte ich beim „Träumen“.
5. Folge deiner Intuition Je mehr du das machst, desto besser wird dein „inneres Gehör“. Versuche nicht, etwas krampfhaft zu Ende zu bringen und gegen deine Intuition zu arbeiten. Loslassen! Deine „kleine“ innere Stimme will nur dein Bestes.
6. Schlafe über ein neues Projekt Das Gehirn löst die Dinge im Schlaf. Gib ihm die Aufgaben, und dann: Vergiss die Aufgaben! Du hast den Auftrag gegeben, und das Hirn wird die Arbeit annehmen und daran arbeiten. Irgendwann „spuckt“ es das Ergebnis heraus! Sei dann bereit, diese Lösungsvorschläge deines Gehirns anzunehmen und vor allem: Schreibe die Ideen auf!
7. Motivationszettel Hänge motivierende Sprüche, Bilder und evtl. auch Gegenstände und positive Statements an Orten auf, wo du sie jeden Tag in deinem Blickfeld hast. Ähnlich wie bei der Subliminal Messages Technique werden diese Bilder oder Botschaften unbewusst wahrgenommen und „programmieren“ dieses. Der Arbeitsvorgang hat begonnen! Trickse dich selbst aus, indem du Zettel an Orten verteilst, an denen du sie nicht vermuten würdest. Überrasche dich selbst. Umgebe dich mit kreativen Dingen, die dir gefallen und die dich in eine gute Stimmung versetzen.
8. Reduziere dein Material Die besten Ideen kommen, wenn du Mangel an Material hast und nur begrenzte Ressourcen. Es hilft dir, gute Lösungen zu finden und du brichst nicht unter der Macht der Vielzahl und Distraktion zusammen. Keep it Simple!
9. Beschäftige dich mit Origami Eines der besten Dinge, die man tun kann, um das Gehirn zu entspannen und die Sensibilität zu fördern. Farbiges Papier (am besten mit Mustern) hilft sogar noch mehr, weil Farben das Gehirn noch mehr stimulieren. Ebenso die Formen der Objekte. Die Faltprozesse, die erlernt werden müssen, fördern die Konzentration und Fähigkeit zur Fokussierung. Großartig zum Entspannen und Nachdenken!
10. Übe dich in CHINDOGU Erfinde etwas sinnloses! Das macht Spaß und fördert deine „kreativen Muskeln“. In Japan ist Chindogu eine Art „Kult“, und man macht es nicht aus kommerziellen Gründen. Es geht darum, etwas zu erfinden, das „fast“ brauchbar ist. Eine herrliche Kreativitätsübung.
11. Vergleiche dich nicht mit anderen Einer der größten Kreativität-Killer. Sei nett zu dir und blende die anderen vollkommen aus. Vertraue auf dich und die Fähigkeiten, die du hast.
12. Wechsle die Umgebung Mache Spaziergänge, besuche ein Museum, umgib dich mit anderen visuellen Eindrücken und führe einen „Tapetenwechsel“ durch. Es ist erstaunlich, was diese Kleinigkeiten ausmachen. Oftmals ist man bei einem Kunststück festgefahren und weiß nicht weiter. Genau dann ist es am besten, kurz los zulassen und dem Gehirn eine Pause zu gönnen. Meistens taucht die Lösung nach dem „Abschalten“ wie aus dem Nichts auf.
13. Denke „out of the box“ Wenn man außerhalb der fest eingefahrenen Bahnen denken will, also das machen will, was bekannt ist als „out-of-the-box-thinking“, dann muss man vor allem und zuerst einmal aus dieser Box heraus! Wichtig ist, zu erkennen, wo diese Box liegt und was die Grenzen sind. Was sind die Limitationen, wieso denke ich so? Wieso machen die anderen das immer nur so? Wo ist die „Box“? Und dann: Jump out!
14. Rätsel Es gibt so viele tolle Rätsel, die wirklich unterhaltsam und lustig sind. Mache jeden Tag ein paar Rätsel. Das ist wahres Gehirnjogging. Das Gehirn braucht Aufgaben, dies es lösen muss. Es liebt Probleme und Lösungen dafür zu finden. Es gibt sehr gute „Kreativitätsrätsel“, bei denen man Aufgaben auf möglichst originelle Art und Weise lösen muss. Ich mache diese Rätsel recht häufig. Sie helfen mir enorm, meine Fähigkeit, Probleme zu lösen, zu trainieren.
15. Setze dir Termine Unter Druck arbeitet man am besten. Keine „Aufschieberitis“. Auch wenn man vielleicht mit dem Ergebnis dann noch nicht so ganz zufrieden ist, eine Deadline bringt einen zumindest an den Punkt, dass etwas da ist und man sich nicht in tausende Varianten verliert und letztendlich nichts zustande bringt. Nachbessern kann man dann immer noch. Wichtiger ist, einen Start zu finden: „Getting things done!“.