Ein Thema, das in den letzten Jahren viel diskutiert wurde. Man hörte immer öfter: Zauberer sollten unbedingt mit einem Regisseur zusammenarbeiten. Ein paar Tipps auf dem Weg zur eigenen Regie.
In diesem Kurzartikel versuche ich, etwas Licht auf dieses Thema zu werfen. Das sollen keine festen Regeln sein, sondern vielmehr Anregungen, also eher „Anregelungen“. Natürlich sind diese Standpunkte subjektiv und aus meinen praktischen Erfahrungen entstanden, die ich machen konnte, als ich verschiedenen Zauberern als „Regisseur“ zur Seite stand.
Ein herrliches Zitat über den Beruf des Regisseurs habe ich in einem Theaterhandbuch gefunden:
„Er ist Vater und Mutter, Priester, Psychologe, Freund, Autor, Schauspieler, Fotograf, Kostümbildner, Elektronikfachmann, Musiker, grafischer Künstler und spielt noch ein Dutzend andere Rollen.“
–Alan A. Armer: Lehrbuch der Film- und Fernsehregie
Dies zeigt sehr schön auf, was auf einen Regisseur so alles zukommen kann in einer Theaterproduktion. Um das besser zu verstehen, machen wir einen kleinen „Crashkurs“, wie ein Theaterstück entsteht und wer so alles dabei involviert ist.
Über eine Theaterproduktion
Das Drehbuch
Zunächst braucht es natürlich einmal die Idee zur Geschichte. Dafür ist der Autor verantwortlich. Hat er die Idee, entwickelt er die Figuren, den Handlungsablauf, usw. Nach Monaten (manchmal Jahren) ist die Geschichte dann endlich fertig. Das Drehbuch liegt auf dem Tisch.
Es ist nun an der Zeit, die richtigen Leute zusammen zu trommeln, damit die Geschichte inszeniert und auf der Bühne umgesetzt wird. Also geht er an ein Theater, spricht mit einem Produzenten und schlägt einen Regisseur vor. Oder umgekehrt. Manchmal kommen auch Regisseure auf die Autoren zu, die ein interessantes Drehbuch haben und wollen es inszenieren. Egal wie, es geht los.
Die Theatercrew
An einem Theater arbeiten viele verschiedene Menschen zusammen, um ein Stück zu inszenieren: Produzent, Regisseur, Bühnenbildner, Maskenbildner, Requisitenmeister, Kostümbildner, technisches Personal wie Ton- und Lichtmeister, Regieassistenten, Bühnenhelfer und einige andere, bis hin zu den Menschen im Kassenhäuschen, die die Karten verkaufen. Nicht zuletzt – und mit am wichtigsten natürlich – die Schauspieler!
Im Theater arbeiten diese Leute beim Inszenieren eines Stücks alle zusammen und werden dabei vom Regisseur koordiniert. Es ist der Regisseur, der seine Vorstellung von der Umsetzung des Theaterstücks den anderen Mitarbeitern kommuniziert und diese setzen es dann seinen Vorstellungen entsprechend um. Das ist nicht immer einfach, denn oft begrenzt der Produzent das Budget, die Licht- und Tontechniker sind eine Spezies für sich, die ihre Kreativität einbringen wollen und nicht zuletzt sind Schauspieler oftmals ganz besondere Menschen mit sehr speziellen Vorstellungen davon, wie sie auf der Bühne wahrgenommen werden und wirken wollen.
Der Regisseur ist die Schlüsselfigur, er sorgt dafür, dass alle an einem Strang ziehen und die Maschinerie reibungslos und gut geölt läuft. Irgendwann steht die Mannschaft und es kann losgehen.
Die Inszenierung
Nun geht es ans Einstudieren, und das läuft in der Regel so ab: Zuerst kommen die Schauspieler zusammen und fangen an, mit dem Drehbuch in der Hand die Dialoge zu lesen. Somit erarbeiten sich die Spieler die Grundzüge des Stücks. Nach einiger Zeit fällt das Drehbuch dann weg, d.h., die Texte werden frei gesprochen. Meistens findet das alles auf einer Probebühne statt. In der Zwischenzeit sind Maske, Kostüm und Requisite schon dabei, im Hintergrund die notwendigen Kostüme, Bühnenrequisiten und Bühnenbilder zu erstellen.
Nach endlosen „nackten“ Proben kommen dann nach und nach die Requisiten dazu und das Stück nimmt Form an. Meistens, nach ein paar Wochen, ist dann der Zeitpunkt für die erste technische Probe gekommen. In dieser Probe werden auch Licht, Requisiten, Bühnenhintergrund und Kostüme eingesetzt.
Nach einigen weiteren technischen Proben, die sich hinziehen können, ist das Stück bereit zur Werkschau, d.h., der Aufführung vor einem ausgesuchten Publikum, welches die Produktion wohlwollend, aber auch kritisch zur Kenntnis nimmt. Bei uns Zauberern könnte man z.B. das Publikum für die Werkschau unterteilen: Das Stück für Freunde und „normale“ Zuschauer, dann nur für Theaterleute, dann für Zauberer, usw. Von jeder dieser Zielgruppen erhält man unterschiedliches Feedback und kann nochmals am Stück schleifen und es optimieren.
Und irgendwann ist es dann soweit, der Termin zur Première steht an und das Schiff läuft aus dem Hafen aus. Jetzt ist es Zeit für den Regisseur, das Schiff zu verlassen und es der Mannschaft zu übergeben. Seine Aufgabe ist beendet und er wendet sich dem nächsten Projekt zu.
Wie siehst, sind bei einer Theaterproduktion eine Menge verschiedener Leute involviert. Zauberer in der Größenordnung eines David Copperfield haben solche Teams ständig zur Verfügung, David verfügt sogar über ein eigenes Kreativteam, das aus Spezialisten besteht, deren einzige Aufgabe es ist, sich die Tricks und Routinen für ihn ausdenken. Nur die kreativsten und Besten arbeiten für ihn.
Für uns Normalzauberer sieht die Sache dagegen etwas anders aus: In der Regel müssen wir die meisten dieser Fachleute in einer Person in uns vereinen.
Wir sind Autoren und Drehbuchschreiber, Hauptdarsteller, Requisitenmeister und Regisseur in einem. Dazu entwerfen wir noch das Kostüm, schneiden die Musik und Soundeffekte zusammen, kümmern uns um das Transportproblem, den Bühnenhintergrund und die Requisiten. Meist machen wir sogar unsere PR und die Buchungen selbst.
Regisseur – ja oder nein?
Vielleicht fragst du dich, ob es nicht besser ist, einen Regisseur zu engagieren, der dir die Ausgestaltung du Bühnenumsetzung deines Programms abnimmt. Letztendlich kannst nur du selbst dir diese Frage beantworten, je nachdem, wie weit deine eigenen Fähigkeiten reichen. Hier nur ein paar Punkte zum Nachdenken.
Der Regisseur nimmt einem die Arbeit ab
Bis zu einem gewissen Grad stimmt das. Man stellt sich auf die Bühne, und der Regisseur sagt einem, wo man wann zu stehen hat, wie schnell man sich bewegt, was man und vor allem wie zu welchem Zeitpunkt sagen soll, was gut aussieht und was nicht, usw. Er sorgt dafür, dass keine unnötigen Längen entstehen (stage waits, dead spot oder wie auch immer man dazu sagen will).
Er ist das Mädchen für alles, kommuniziert mit der technischen Crew im Theater. Angenehm, denn man braucht sich nur noch hinzustellen, seinen Anweisungen zu folgen und die Sache hat sich.
Die eigene Sichtweise verändert sich
Ist man in einem Projekt fest eingebunden, läuft man immer Gefahr, einen sog. Tunnelblick zu bekommen. Man sieht also nicht mehr über den Tellerrand hinaus, ist eingefahren und betrachtet die Show nur aus seiner Sicht. Ein Regisseur ist eines der besten Mittel, dies zu verhindern. Ein guter Regisseur ermöglicht andere Sichtweisen, ermutigt einen, neue Wege zu gehen und die Figur bzw. das Stück neu auszuloten. Man sieht die Dinge mal aus der Perspektive der anderen, und das kann niederschmetternd, aber auch äußerst hilfreich sein. Es spornt die Kreativität an und ermöglicht Progression und Konzentration aufs theatralisch wesentliche.
Regisseure kosten Geld
Ein Regisseur, der etwas taugt, hat natürlich seinen Preis. Und der ist manchmal nicht unerheblich. Nur die wenigsten werden willens sein, einen vierstelligen Betrag für solch einen Spezialisten hinzublättern.
Disziplin ist angesagt und Vertrauen
Mit einem Regisseur zu arbeiten, bedeutet, seiner Interpretation des Stückes zu vertrauen und es auch so zu machen, wie er es vorgibt. Da braucht man Vertrauen in den Regisseur und natürlich auch die Disziplin, nicht seine eigenen Vorstellungen durchsetzen zu wollen, sondern sich an die Marschrichtung zu halten.
Ein Regisseur ist kein Zauberer
Das ist eines der schwerwiegendsten Argumente. Aus Erfahrung weiß ich, dass brillante Theaterregisseure in der Regel nicht über die Grundlagen und Gesetzmäßigkeiten der Zauberei Bescheid wissen. Wie auch – selbst wir bemühen uns oft viele Jahre darum, diesen Themenbereich zu studieren und zu meistern. Die psychologischen Grundlagen der Zauberei sind ein klein wenig anders gestrickt, vor allem was die Funktionsweise der Kunststücke angeht. Es gibt so viele Kleinigkeiten, die gar nicht „gesehen“ werden, die aber für den Erfolg eines Tricks von fundamentaler Bedeutung sind.
Meistens hört der Regisseur: „Zauberer oder Magier“ und hat dann eine Theaterrolle im Kopf, die er entsprechend inszenieren will. Über Tricktechnik und die Limitationen der theatralischen Möglichkeiten für die Umsetzung derselben werden sich erst mal keine Gedanken gemacht. Ich hörte da schon Sachen wie „Das wär doch toll, wenn er in einem Blitz und Rauch in der Mitte der Bühne erscheint“ usw. Toll wäre das vielleicht schon – aber das in der Praxis umzusetzen ist eine ganz andere Geschichte, da braucht es wieder den magischen „Handwerker“, der über solide technische und theoretische Grundlagen verfügt.
Wenn du also einen Regisseur hinzuziehst, dann sollte er über die wesentlichen Dinge der Zauberei Bescheid wissen, d.h., du musst ihn instruieren und die entsprechenden Informationen zur Verfügung stellen. Das kostet noch mal viel Zeit (und manchmal auch Nerven).
Das Drehbuch – Woher die Idee?
Eberhard Riese geht in seinem Buch “Fundamente” sehr ausführlich auf die Methoden und Techniken ein, wie man auf Ideen kommt, aus denen sich eine erfolgreiche Zaubernummer bauen lässt. Diese hier nochmals auszuführen, würde den Rahmen dieses kleinen Artikels sprengen.
Der Titel des Stücks
Sieht man sich wirklich erfolgreiche Kabarettisten an, dann kann man feststellen, dass die meisten ein eindeutiges Thema für ihr jeweiliges Programm haben. Es gibt meistens den Titel des Programms und einen Untertitel, der das Thema anreißt. Ich denke, so ein Titel mit Untertitel ist auch für einen Zauberabend nicht das Schlechteste. Hilfreich vor allem bei der Auswahl der Tricks und der Gestaltung des Vortrags. Mit einem übergeordneten Thema hat man es von Anfang an leichter. Der Name ist sozusagen Programm. Ich selbst habe es auch so gemacht bei meinem eigenen, abendfüllenden Programm, THE ROYAL SCOTTISH MAGIC SHOW. Hier nur ein paar wenige der endlosen Entwürfe, durch die ich bei der Kreation des Untertitels gegangen bin:
THE ROYAL SCOTTISH MAGIC SHOW
Der Anfang von Ende
THE ROYAL SCOTTISH MAGIC SHOW
Alles schottisch, oder was?
THE ROYAL SCOTTISH MAGIC SHOW
Knapp daneben ist auch vorbei.
THE ROYAL SCOTTISH MAGIC SHOW
Und der Humor kommt auch zu kurz.
THE ROYAL SCOTTISH MAGIC SHOW
Dreimal abgeschnitten und immer noch zu kurz
Jeder einzelne Untertitel suggeriert ein anderes Programm bzw. eine andere Stimmung, was wiederum die Auswahl der infrage kommenden Tricks beeinflusst.
Ein anderes Beispiel: Zauberfreund RADSCHI, der ein Schwabe ist und dementsprechend auch dieses (doch ein wenig problematischen) Dialektes mächtig, suchte ein Thema für sein abendfüllendes Programm. Es wurde mir klar, dass er nur eine Rolle wirklich glaubhaft spielen kann: die eines pensionierten Lehrers, der im Haushalt auf die verschiedensten Dinge stößt, die Probleme dahinter entdeckt und auf seine (magische) Art und Weise „löst“. Da er von Beruf ja wirklich Lehrer ist, war diese Rolle für ihn maßgeschneidert. Ich bot ihm also Folgendes an: „Hausg’macht – von alltäglichen Problemen, die keiner haben will und von denen kaum einer wusste, dass es sie gibt. Schwäbisch magische Lösungen vom Zauberkünstler RADSCHI“.
Damit war es sehr einfach, themenbezogene Kunststücke zu finden und auch die Präsentation dementsprechend zu gestalten. Die Kunststücke sind sozusagen die „Probleme im Haushalt“ und werden magisch aufgelöst. Der Untertitel deutet auch an, dass er sich die Probleme auch sucht, wenn mal keines wirklich vorhanden ist, was wiederum viel Comedy-Potenzial in sich trägt. Frei nach dem Motto: „Hat man keine Probleme, macht man sich eben welche“.
Wie du sehen kannst, stellt man sich bei jedem Titel schon nur beim Lesen ein anderes Programm vor und es schießen einem die verschiedensten Bilder durch den Kopf. So stark und inspirierend können diese Untertitel wirken.
Der Plot
Hier fängt alles an. Ohne Plot kein Drehbuch und ohne Drehbuch keine Show. So einfach. Zuerst einmal sollte man sich ja drüber im Klaren sein, was man überhaupt will: Will ich ein abendfüllendes Programm? Wenn ja, was soll das sein? Ein Themenabend, ein Drama oder eher eine Komödie? Ein Monolog, eine Unterhaltung mit mir selbst, ein Kampf mit einem „unsichtbaren“ Antagonisten?
Es gibt mehrere Arten des Plots: den 2‑Punkt-Plot und den 3‑Punkt-Plot. In der Regel stehen wir als Zauberer aber alleine auf der Bühne und präsentieren unsere Sache. Beim 2‑Punkt-Plot wirkt eine weitere Person mit. So könnte man sich z.B. eine kleine Szene in einem Restaurant vorstellen, bei der ein Mann und eine Frau am Tisch sitzen und wo im Verlauf der Geschichte magische Dinge passieren. Hier werden die Konflikte zwischen den beiden ausgetragen. Der Nachteil dieser Variante ist, dass sie meistens ziemlich vorhersehbar ist. Trotzdem trägt sie wichtige Elemente des Theaters in sich: Protagonist und Antagonist, Konflikt und Situation. Auch können in solch einen Plot Elemente wie Emotionen und Romantik eingebaut werden.
Interessanter wird es schon beim 3‑Punkt-Plot, denn hier kommt eine dritte Person ins Spiel, in unserem Beispiel mit dem Restaurant beispielsweise ein Kellner. Jetzt verteilen sich die Konflikte, die entstehen können, auf drei Personen. Der Ausgang dieser Konflikte und auch ihre Art sind nicht so leicht vorhersehbar und deshalb haben 3‑Punkt-Plots die größeren Chancen auf Erfolg.
Was macht aber der Zauberer, der alleine auf der Bühne steht? Nun, in dem Fall haben wir einen 1‑Punkt-Plot. Nicht alle Zaubernummern müssen zwingenderweise 2- oder 3‑Punkt-Plots sein, um erfolgreich zu sein. Tommy Wonder nimmt zurecht die Nummer von Cardini als Beispiel. Diese Nummer hatte eigentlich keinen Plot: Da kommt ein älterer Gentleman auf die Bühne, ihm passieren die unmöglichsten Sachen und er geht wieder von der Bühne ab.
Der Grund, warum diese Nummer legendär ist und eine der besten Varieténummern war, ist, weil all die Sachen, die ihm passiert sind, voller Emotionen und Überraschungen waren. Es traten unzählige Konflikte auf. Fred Kaps hat dieses Prinzip ja auch mit Erfolg übernommen: “Es” zauberte und er wunderte sich und wurde permanent von den Dingen überrascht. Auch so einfach kann ein erfolgreicher Plot sein.
Zuschauer wollen Emotionen
In einem Interview sprach Juan Tamariz ein paar sehr wichtige Dinge an. Es ging unter anderem darum, wie man ein Programm gestalten sollte, damit es für den Zuschauer attraktiv wird. Tamariz wies darauf hin, dass nach seiner Erfahrung im Theater die Zuschauer an dem für sie emotionalen Wert eines Stückes interessiert sind. Dabei kommt es weniger auf die Ausstattung, Requisiten, Kostüme oder bombastische magische Effekte an (ein Fehler, den viele Zauberer machen), sondern auf die emotionale Wirkung der Tricks, die diese beim Zuschauer hervorrufen und hinterlassen. Er deutete ein Beispiel an und zieht dabei die Parallele zu einem Musikkonzert.
Man besucht also ein Konzert und als Erstes spielt ein Pianist ein Stück, das sentimental und feinsinnig ist, z.B. ein Liebeslied. Es kommt gut an. Dann kommt als Nächstes ein Musiker mit einem Cello und spielt ein weiteres Liebeslied. Als Nächstes kommt ein Trompetenspieler – und wieder ein Liebeslied. Nach spätestens einer halben Stunde wird es den Zuhörern langweilig. In so einem Konzert spielen zwar vielleicht alle Instrumente eines großen Orchesters, aber alle spielen nur Liebeslieder, die mehr oder weniger die gleichen Emotionen bei den Zuschauern hervorrufen. Es wird sehr schnell langweilig.
Gegenbeispiel: Man besucht ein Konzert und es gibt nur einen Musiker am Klavier den ganzen Abend. Er fängt an mit einem fetzigen Ragtime, dann ein Boogie-Woogie und schließlich einen Marsch. Nach einer kurzen Pause spielt er ein Liebeslied, dann vielleicht eine Passage aus einem klassischen Werk, dann ein Stück aus einem Musical. So geht es weiter, bis zum Schluss das überragende Solostück kommt, bei dem er noch einmal seine ganze Virtuosität unter Beweis stellt.
Im zweiten Beispiel werden den Zuhörern die verschiedensten Musikrichtungen präsentiert, jedes Stück ruft andere Emotionen hervor. Und genau diese Abwechslung empfinden die Zuhörer als spannend und interessant. Obwohl alle Stücke nur mit einem Instrument gespielt wurden.
So gesehen spielt es kaum eine Rolle, ob ich meine Zuschauer „nur“ mit einem Kartenspiel unterhalte – solange die gezeigten Sachen einen emotionalen Wert für den Zuschauer und die entsprechende Vielseitigkeit aufweisen. Tamariz bewies ja auch in seinen Theaterprogrammen, dass das sehr wohl geht und es gibt einige hervorragende Zauberer, die ähnlich und erfolgreich arbeiten. Das ist es, was die Menschen am Theater wirklich interessiert und fasziniert: Emotionen.
Das auch der Grund, warum Mentalmagie so stark ist, denn hier wird mit den Gedanken und Gefühlen der Zuschauer gearbeitet. Persönlicher und damit interessanter geht es nicht für die Menschen. JEDER wird sofort einen emotionalen Bezug haben, wenn der Vorführende den Namen eines Schulkameraden aus vergangener Zeit oder der ersten Liebe herausfindet. Präsentiert des Vorführende das dann auch noch nicht als Mentalmagier, sondern als Mentalist, der echt erscheint, sind die Reaktionen natürlich dementsprechend stark.
Reiner Mentalismus, der Verzicht auf so gut wie alle Requisiten, ist die Hohe Schule. Man steht auf leerer Bühne, agiert mit dem Publikum und alles, was den Raum füllt, ist die Persönlichkeit des Vorführenden und die Konflikte und Emotionen, die er hervorruft. Nur die wenigsten schaffen das. Es bedeutet jahrelange Erfahrung und eine sehr starke Persönlichkeit sowie ein absolutes theatralisches Gespür.
Ein Ausnahmekünstler, der es übrigens meisterhaft beherrschte, Zauberkunststücke sinnvoll und spannend zusammenzustellen und mit Emotionen aufzuladen, war PUNX. Ich kann dir jedes seiner Hefte „Experimente aus dem Überraum“ nur empfehlen. Darin siehst du, wie man scheinbar nicht zusammengehörige Einzeltricks zu einer logischen Geschichte zusammenschweißt.
Wenn du sein System verstanden hast und in die Praxis umsetzen kannst, ist es relativ leicht, sich selbst sehr effektvolle Programme zusammenzustellen. Seine Hefte sind wahre Lehrstücke, wie man ein Programm theatralisch aufbaut und die Tipps, die er zwischen den Zeilen gibt, sind pures Gold wert.
Man könnte also sagen: Theater besteht aus Emotionen.
Allerdings sind statische Emotionen für den Zuschauer nicht interessant. Es muss also ein Weg gefunden werden, diese ins Rollen zu bringen. Dieser Weg ist im Theater der Konflikt.
Dies ist einer der besten Wege, um Emotionen ineinander übergehen zu lassen. Du hast mehrere Möglichkeiten hier. Im Prinzip kann eine Figur im Theater auf drei Arten im Konflikt stehen:
- Mit anderen Figuren
Mit der Umgebung
Mit sich selbst - Je kontrastierender die Emotionen und je schärfer die Übergänge sind, desto lebhafter und interessanter erscheint den Zuschauern das Stück. Auch deine Zauberdarbietung kann von diesen Emotionen profitieren und in einem besseren Licht dastehen.
Drehbuchsoftware Celtx
Drehbücher müssen nun mal irgendwie geschrieben werden. Natürlich kann man seine Vorträge bzw. das Drehbuch in einem beliebigen Texteditor erstellen. Aber die Verwendung einer speziellen Drehbuch-Software erleichtert die Arbeit enorm. Sie kann kostenlos aus dem Internet heruntergeladen werden und bietet einige Vorteile: Der Text ist professionell dem Theaterstandard entsprechend formatiert, ohne dass man sich da beim Schreiben groß darum kümmern muss.
Celtx beinhaltet auch die Verwendung von Karteikarten, auf die man die einzelnen Tricks schreiben und jeden mit Notizen versehen kann. Alleine dieses Feature macht Celtx für mich zur ersten Wahl.
Es gibt die Möglichkeit, automatisch eine Requisitenliste oder z.B. Bühnendekorationen, Akteure, Requisiten und Licht zu erfassen.
An beliebiger Stelle im Text kann man Notizen einfügen, die direkt daneben in einem Fenster des Programms lesbar sind. Wichtige Ideen und Anmerkungen zur Textpassage sind so in wenigen Augenblicken erstellt und vor allem: Sie sind immer vorhanden und jederzeit abrufbar. Alles, was zum Stück gehört, befindet sich gesammelt in einem Programm. Die wichtigen Ideen werden nicht so mehr vergessen oder gehen verloren.
Es gibt auch die Möglichkeit, das Stück in einer Cloud im Internet zu speichern, sodass man praktisch von überall darauf zugreifen und daran arbeiten kann. Auch mehrere Autoren können an einem Stück arbeiten.
Du kannst dir die Software hier herunterladen: Celtx Software.
Stage Blocking
Unter Stage Blocking versteht man im Theaterbereich die Organisation und Anordnung der Requisiten auf der Bühne. Weiterhin die Reihenfolge, in der Requisiten aufgenommen und abgelegt werden und woher sie kommen und wohin sie gehen. Also der organisatorische Ablauf der Props und auch der Bewegungen und Standorte des Vorführenden. Zu diesem Thema wird es einen gesonderten Beitrag geben.
Zur Trickgestaltung
Nach ASCANIO ist ein Effekt letztendlich die Diskrepanz zwischen einer Ausgangssituation und dem Ergebnis, welches anders aussieht, als erwartet. Je größer und unerwarteter dieser Unterschied, desto klarer und stärker der Effekt.
Im Prinzip geht es darum, dass wir den Zuschauern eine Situation darstellen. Wobei in der Zauberei oftmals die Ausgangssituation nicht die ist, die die Zuschauer wahrnehmen. Viele Sachen sind gar nicht so „unschuldig“ oder „frei von Präparation“. Oftmals denken die Leute, dass wir nichts in der Hand haben, in Wirklichkeit jedoch starten wir z. B. mit vier palmierten Münzen, usw.
Al Schneider hat das Zustandekommen eines magischen Effekts sehr gut in fünf Schritte aufgeteilt. Im Prinzip läuft jeder magische Effekt mehr oder weniger nach diesem Muster ab.
Die fünf Schritte der Täuschung
1. Ein(e) Zustand/Situation wird gezeigt Der Vorführende zeigt einen bestimmten Zustand vor, z.B. einen leeren Becher und einen kleinen Ball.
2. Der Vorführende führt eine Aktion aus
3. Er führt nun eine Handlung aus, die einen bestimmten Zustand erzeugt. Die Zuschauer haben von diesem Zustand ein klares Bild. Er legt den Ball (scheinbar) unter den Becher. Die Zuschauer denken, der Ball befindet sich unter dem Becher.
4. Der daraus resultierende Zustand ist anders als die Zuschauer erwartet haben. Der Vorführende zeigt, dass der Zustand anders ist, als die Zuschauer erwarten. Wird der Becher hochgehoben, so sehen die Zuschauer, dass der Ball verschwunden ist.
5. Die Zuschauer versuchen, die ersten drei Schritte nochmals zu rekonstruieren und nachzuvollziehen.
Hier kommt der bewusste Einsatz von Subtilitäten und mentale Direktion zum Tragen, durch die verhindert wird, dass der Zuschauer seine falschen Annahmen bemerkt und das Trickgeschehen korrekt rekonstruieren kann.
Die Zuschauer denken: „Moment, ich habe genau gesehen, dass der Ball unter den Becher gelegt wurde. Er hat ihn auch nicht weggenommen oder irgendwas gemacht. Warum ist dieser Ball jetzt weg? Wo ist er jetzt?”
Die Zuschauer kommen zu dem Entschluss, dass sie getäuscht wurden. Sie denken: „Ich habe keine Ahnung, wohin dieser Ball verschwunden ist – es muss Zauberei sein!”
Den Effekt betonen
Zauberer verbringen enorm viel Zeit damit, die Ausgangssituation bei einem Kunststück zu erklären. Die Vorbereitungszeit für die meisten Tricks ist sehr lang: Man muss Karten wählen und signieren lassen, ins Spiel zurückmischen und dann den Zuschauer noch abheben lassen, usw.
Der eigentliche Effekt ist meistens in ein paar Sekunden vorüber. Für den Zuschauer ist es aber langweilig, die endlos langen Vorbereitungen mit ansehen zu müssen. Er interessiert sich ausschließlich für den Effekt.
Die Vorbereitungszeit im Vergleich zum eigentlichen Effekt verhält sich oft 9 zu 1. Idealerweise sollte es aber genau anders herum sein.
Wir können die Zauberei effektvoller machen, wenn wir uns diese Tatsache immer vor Augen halten und versuchen, die Vorbereitungszeit soweit wie möglich zu verkürzen bzw. auf ein Minimum zu beschränken und dafür dem Effekt mehr theatralischen Raum zu geben.
Grundausstattung Requisiten
Wenn es eine Eigenschaft gibt, die einem in der Zauberei hilfreich ist, dann ist das die Fähigkeit zu basteln. Es hilft enorm, wenn du in der Lage bist, die wichtigsten Prototypen selbst zusammenzubauen. Das müssen keine Kunstwerke sein, grundlegende Bastelfertigkeiten reichen vollkommen aus, es geht ja nur um Prototypen, die ungefähr zeigen sollen, um was es geht.
Mir haben die nachfolgend aufgeführten „Requisiten“ immer sehr geholfen und man kann damit fast jedes Programm in der Anfangsphase problemlos realisieren:
Karton in allen Stärken und Größen
Jaffa Tape
Doppelseitig klebendes Teppichband
Pattex Kleber
Teppichmesser, Schere, Tacker
Schwarzer Bühnenmolton
Die meisten „mock ups“ habe ich grundsätzlich mit dieser primitiven Ausstattung realisiert. Viele der damals entstandenen Prototypen sind immer noch in Gebrauch, eine typische Situation.
Der generische Fundus
Ein herrliches Thema, über das man alleine ein ganzes Buch schreiben könnte! Wir alle, wenn wir mal ehrlich sind, kennen doch das Dilemma: Wir sind auf einem Kongress oder einem Seminar, und was machen wir? Wir kaufen uns einfach wieder etwas! Das an sich wäre ja nicht schlimm, andere Menschen sammeln/kaufen Bierdeckel oder was sonst noch. Das eigentliche Problem aber ist, dass wir durch das unüberlegte Einkaufen so schnell einen gut funktionierenden Requisitenfundus zustande bringen werden.
Im Theater gibt es eigens eine Werkstatt, die dafür da ist, etwas zu bauen oder zu modifizieren, was im Fundus nicht vorhanden ist oder eben verändert werden muss. Die wenigsten von uns haben aber eine permanente, gut ausgestattete Werkstatt zur Verfügung. Also wird man versuchen, mit möglichst wenig Modifikationen und Umbauten auszukommen und sich Tricks oder Hilfsmittel zulegen, die vielseitig eingesetzt werden können. Was mich zum nächsten Thema bringt, den generischen Requisiten.
Was sind „generische“ Requisiten?
Ganz einfach: alles, was man nicht nur für einen Trick, sondern für viele verschiedene einsetzen kann. Oft wurde ich gefragt: „Wie kann ich das und das austauschen, wie kann/soll ich das verschwinden lassen, usw.“ Solche Fragen lassen vermuten, dass bisher noch kein Requisitenfundus zusammengestellt wurde, mit dem diese Erfordernisse abgedeckt werden können. Im Laufe der Jahre habe ich meinen Zauberfundus bewusst nach gewissen Kriterien zusammengestellt.
Ein guter und brauchbarer Fundus besteht für mich aus Knowledge, Griffen, Methoden, Hilfsmitteln, Tricks und Konzepten, die sozusagen „blanko“ sind, d.h. Neutral, und die für eine Vielzahl von Tricks eingesetzt werden können. Je universeller ein Gimmick einsetzbar ist, desto wertvoller wird es für mich. Heute suche ich meine Requisiten bewusst nach diesen Kriterien aus.
Viele Requisiten in meinem Fundus sehen eigentlich nach „gar nichts“ aus: Da gibt es Plastikbeutel (durchsichtige Changierbeutel), Umschläge, Brieftaschen und jede Menge Daumenspitzen und andere Hilfsmittel. Alle können für eine Vielzahl von Tricks verwendet werden. Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass man bei den meisten Tricks immer wieder auf folgende Herausforderungen stößt: Forcieren, Austauschen, Verschwinden und Erscheinen lassen. Vor allem Methoden, Gimmicks ins und aus dem Spiel zu bringen, interessieren mich besonders. Dazu kommt dann noch das Problem mit der Ablage auf der Bühne. Von irgendwo müssen die Requisiten ja kommen und sie müssen auch irgendwohin wieder verschwinden. Seit Jahren probiere ich die verschiedensten Ablagesysteme und Tische aus.
Die schwarzen Schachteln
Als ich mit Pantomime auseinandersetzte und entsprechende Kurse besuchte, lernte ich dort auch das Prinzip der schwarzen, universell einsetzbaren Bühnenelemente kennen. Dies waren einfache Holzboxen, die mit schwarzem Molton überzogen waren. Man konnte sie aufrecht oder quer stellen, beliebig auf der Bühne positionieren und sie erfüllten viele Funktionen: Mal waren sie eine Parkbank, mal eine Wohnzimmergarnitur, mal eine Bushaltestelle.
Dieses Prinzip habe ich auch in meine Zauberprogramme übernommen, allerdings mit viel kleineren Schachteln. Diese einfachen Kartonschachteln sind ebenfalls mit schwarzem Molton überzogen, weil sie dadurch auf der Bühne „unsichtbar“ werden. Trotzdem bieten sie mir den Stauraum für die verschiedensten Requisiten und sind durch ihre optische Unauffälligkeit wie geschaffen für das heimliche Vertauschen von Gegenständen.
Gleichzeitig sind sie Transportbehälter und fügen sich aufgrund ihrer Neutralität in fast jedes Bühnenbild ein. Das perfekte generische Requisit!
Wenn du also deinen Fundus bewusst nach diesen Kriterien zusammenstellst, wirst du bald eine andere Arbeitsgrundlage haben.
Checkliste: Fitzkee Audience Appeals
Dariel Fitzkee beschreibt in seinem Buch “Showmanship for Magicians” die wichtigsten Elemente, die eine Zaubershow “aufpeppen” können.
Es ist die Liste der “audience appeals”, also der Dinge, die für ein Publikum interessant sind und die die Aufmerksamkeit des Publikums fesseln. Man sollte versuchen, so viele wie möglich in eine Zauberdarbietung einzubauen.
Obwohl dieses Buch nun schon ein paar Jahrzehnte alt ist, haben seine Erkenntnisse immer noch ihre Gültigkeit. Hier die Auflistung einzelnen Audience Appeals, die Reihenfolge ist beliebig und sagt nichts über den Stellenwert aus:
1. Musik
2. Rhythmus
3. Bewegung
4. Jugend
5. Sex-Appeal
6. Persönlichkeit
7. Farbe
8. Humor
9. Harmonie
10. Romantik
11. Sentimentalität
12. Nostalgie
13. Betonung
14. Timing
15. Überraschung
16. Situation
17. Charakter
18. Konflikt
19. Ansprechendes Kostüm
20. Gepflegtheit
21. Körperliche Aktion
22. Gruppen Koordination
23. Präzise Attacke
24. Kurze Szenen oder Sketche
25. Effizientes Tempo
26. Schlagfertigkeit
27. Wohldurchdachte Routinenplanung
28. Unermüdliches Proben
29. Spezielles Material und Arrangement
30. Anmut
31. Spielerische Leichtigkeit
32. Sicherheit in der Ausführung
33. Spektakel
34. Spannung
36. Probleme, die jeder versteht
37. Flucht aus dem Alltag
38. Einheitlichkeit
39. Zeitgemäß sein
40. Emotionen
Ich habe dir diese Punkte als Checkliste beigelegt, denn ich bin der Meinung, dass es eine sehr wichtige Aufstellung ist. Immer, wenn ich ein Kunststück soweit fertig habe, gehe ich die einzelnen Punkte der Liste nochmals durch und frage mich, wo und wie man vielleicht den einen oder anderen Punkt noch in die Routine einbauen kann. Je mehr dieser Punkte du in dein Programm einbauen kannst, desto mehr Gründe hat das Publikum, deine Show zu mögen.
Checkliste: Erfolg des Stücks
Wenn du die Ideen zum Programm beisammenhast und es schon vor deinem geistigen Auge siehst, ist der Moment gekommen, kurz innezuhalten und die nachfolgenden Fragen kritisch durchzugehen. Diese Fragen helfen dir zu klären, ob dein Programm Erfolg haben wird:
- Habe ich einen Plot?
- Ist mein Vorführcharakter ausgearbeitet?
- Ist bei den Kunststücken emotionale Wirkung vorhanden?
- Besteht Abwechslung im Programm?
- Existieren Konflikte?
- Ist die Idee zum Act originell?
- Fitzkee Checkliste überprüft?
- Ist ein roter Faden vorhanden?
- Habe ich Längen in der Handlung?
- Ist das Stage Blocking durchdacht und optimiert?
- Tricktechniken optimiert?
- Für welche Situationen ist das Programm konzipiert?
- Was ist das Zielpublikum?
Literaturtipp
Theaterhandwerk: 101 selbstverständliche Regeln zum Schreiben und Inszenieren
von Alan Ayckbourn
Ein tolles Buch, das sehr lustig und anschaulich geschrieben ist und dir jede Menge Informationen zu Regie und Inszenierung bietet.