Rekordverdächtig decova, 9. August 2015 Seit vielen Jahren frage ich mich, warum Menschen eigentlich Rekorde brauchen. Höher, größer, kleiner, schneller, schwerer, kräftiger, usw. In fast jedem Bereich gibt es jemanden, der besser ist als die anderen. Menschen müssen scheinbar anderen Menschen permanent zeigen, dass sie etwas besseres sind oder etwas besser machen bzw. können. Oder ist es das Gefühl der Genugtuung, wenn man seine “Belohnung” in Form einer Urkunde, einer Medaille oder eines Pokals erhalten hat? Wir werden ja von klein auf bereits in der Schule gedrillt: Schulsportfeste, Klassenkämpfe, Sportabzeichen. Sogar in einzelnen Ortszirkeln des MZvD gibt es regelmäßig “Wettbewerbe”. Andere Länder haben eifrige Organisatoren, die alle möglichen “Merlins” und “Zauber-Oscars” und ähnlichen Schrott erfinden und den Wettbewerb ausrufen, eben diesen zu “gewinnen”. Ist ja auch alles gut, de Cova, es geht doch auch um den sportlichen Charakter, der olympische Grundgedanke ist es, der letztendlich zählt. Dabei sein ist alles. Shows, die “box office record breaking ticket sales” versprechen, müssen doch gut sein, weil Leute Tickets in Rekordzahlen kaufen. Alles, was “rekordverdächtige” Zuschauerzahlen aufweist, verspricht ein Hit zu werden. Rekordverkäufe von Tonträgern, Büchern, etc. Rekord-Besucherzahlen. Aber ist das alles, was rekordverdächtige Zahlen aufweist, auch wirklich gut? Menschen sind daneben auch leidenschaftliche Sammler. Ich nehme mich da gar nicht aus. Sie sammeln alles Mögliche und Unmögliche, Brauchbares und ewig Unnötiges. Das liegt in der Natur des Menschen. Früher gingen die Menschen Beeren sammeln. Oder gingen sie Beeren suchen? Oder gingen sie Beeren suchen, um sie (ein)zusammeln? Beeren wurden aber gesucht oder gesammelt, um sie zu essen. Um den Hunger zu stillen. Heute sammeln die Menschen eben auch Rekorde. Um zeigen zu können, was man kann oder hat und dem anderen klarzumachen, was er noch nicht hat oder nicht kann. Rekorde sammelt man, um die Sucht nach Anerkennung zu befriedigen. Unsere Kartenexperten sammeln Griffe, die anderen sammeln Brieftaschen oder Gimmicks, oder Bücher und Plakate und was weiß ich alles. Und wieder andere sammeln Urkunden, Pokale und Rekorde. Wir Sammler sprechen von Sammlerleidenschaft, Sammlerwahn, Sammlerblogs, Sammlerforen, haben Sammlertreffen, Sammlerkongresse und natürlich auch konsequenterweise ein Sammelsurium (was für ein Wort) an verschiedenen Sammlerobjekten oder Sammlerinteressen. Gute sortierte und gepflegte Sammlungen werden auch entsprechend präsentiert. Große Sammlungen haben große Behausungen, und die heißen dann Museum. Manche Künstler sammeln ihr Leben lang, und dann kommen die “gesammelten Werke”. Man sammelt sich, um zusammen zu sammeln. Es gibt nichts schöneres, als auf einem Zauberkongress mit ein paar Zauberfreunden durch die Händlermesse zu gehen und sich dem kollektiven Sammeln hinzugeben. Und wenn dann mal einer sagt, warum man das alles gesammelt hat, bleibt immer noch die Verteidigung: “Moment, das war ich nicht, das hat sich alles so angesammelt im Laufe der Jahre!” Der Sammler als passives Opfer des Sammelns. Bei vielen Guiness Book Rekorden frage ich mich, wozu sie eigentlich gut sind, außer dass der Rekordbrecher seinen Namen in den Medien und auf der Urkunde sieht. Und natürlich vor den Kollegen und Stammtischfreunden damit prahlen kann, auch in dem berühmten Buch zu stehen. Weil ER diesen Rekord eingesammelt hat. Ich weiß z. B. nicht, wozu es gut sein soll, 75000 Kaugummipapiere zu einer kilometerlangen Kette zu vereinen. Aber gut. Jedem einmal seine paar Minuten im Rampenlicht. Und jedem seinen Sammelerfolg. Und dann wird natürlich versucht, ja geradezu darum gekämpft, diesen Rekord auch zu “halten”. Dann ist man ein “Rekordhalter”. Aber es gibt eben immer wieder andere Sammler, die versuchen, einem seine eingesammelte Beute wegzunehmen. Dann spricht man vom Rekorde “brechen”. In der Zauberei scheint die Mode, Rekorde zu sammeln, längst angekommen zu sein. Wir haben Rekordhalter im Dauerzaubern (!), Rekorde für die meisten Tricks auf einer Bühne im Kollektiv vorgeführt, Rekorde für die meisten Tricks in einer Minute, Rekorde fürs Unterwasserzaubern (!) etc. Nur damit man dann sagen kann, man steht im Guiness Buch der Rekorde? Was soll das bringen? Macht es die Zauberei allgemein besser? Wettbewerbsfähiger im hartumkämpften Markt der Aufmerksamkeit des Zusehers? Ah, ich verstehe: Der Rekord wurde gebrochen! Who cares? Nein? Falsch! Der Rekord wurde eingesammelt, bevor ein anderer Sammler auf die Idee kommt und einem den Rekord vor der Nase wegsammelt! Wenn so eine Aktion dann beim FISM-Weltkongress als „Programmpunkt“ eingeplant wird, dann fühle ich mich schon ein wenig verarscht. Ich soll hunderte Euro Eintritt bezahlen, erwarte mir Seminare und Performances auf Weltniveau für dieses Geld, und dann soll ich mir gehetzte Vorführungen von Einzeltricks ansehen, die ich mir im realen Leben niemals ansehen würde? Klar — als Veranstalter hat man einen Programmpunkt, der nichts kostet und bei dem viele mitmachen, das Gefühl der „Gemeinschaft“ wird betont. Man kann sogar noch Urkunden vorzeigen und bei den Medien mit einer tollen PR-Aktion punkten. Und genau darum scheint es zu gehen — Public Relations. “Wir Zauberer”, die große “Gemeinschaft und Familie der Zauberer” haben es geschafft, wir haben den Rekord gebrochen. Wir sind jetzt “Legenden”, haben gemeinsam “Geschichte geschrieben” — willkommen im Guiness Book of World Records! Einer dieser Rekorde, die für mich beispielloser Blödsinn sind: “Organized by Monty Witt (USA), the longest linking ring chain was 534 rings performed by 129 magicians at the Magic Convention for the International Brotherhood of Magicians, Cleveland, Ohio, USA, on 3 July 2004.” 534 Ringspielringe aneinander gekettet! Wow! Aber eben auch wieder im Kollektiv auf einem Kongress entstanden. Ich denke, dass die Organisatoren von Kongressen in Zukunft auch über diese Seite der Rekordveranstaltungen nachdenken sollten. Nicht alle Zauberer brauchen Rekorde, nicht alle wollen auf einem Kongress bei der Volksbelustigung dabei sein und dafür auch noch bezahlen müssen. Die schlimmste Erkenntnis für mich aus dieser Rekordsuchtelei ist, dass dies gar nicht gut für unseren Nachwuchs ist. Die sind dann oft schwer beeindruckt von solchen Rekorden und glauben, nur wenn man so etwas macht oder hat, wird man was in der Zauberei. Dem Nachwuchs wird, wie sollte es auch anders sein, eine Art Leistungsdenken beigebracht. Zauberei ist aber kein Sport, und auch nicht eine Zurschaustellung von Sammlungen und auch nicht eine Massenveranstaltung. Zaubern hat auch nichts mit gegeneinander antreten und Kräftemessen zu tun, auch wenn viele Hollywood Filme das “Duell der Magier” zu einem populären Thema gemacht haben. Ich kann verstehen, dass viele unsere Kongresse gerne im Sinne der geheimen “Druidentreffen” sehen würden, bei denen wir unsere wichtigen Geheimnisse tauschen und unsere Zauberkräfte messen. Ich wusste nur nicht, dass Druiden heute mit Dreiviertelhosen, T‑Shirts und Smartphone herumlaufen, wie die gemeinen Menschen, die der Zauberkraft nicht mächtig sind. So richtig überzeugend und magisch wirken unsere “Druidentreffen” auf mich nicht. Eher wie “Druiden auf Sommerurlaub beim chillen” … Ich dachte immer, Zaubern sei etwas ganz besonderes, für ein aufgeschlossenes Publikum, das bereit ist, in die Phantasiewelt des Vorführenden einzutauchen. Bereit, die Logik und den kritischen Sachverstand aus dem Theater herauszulassen. Deswegen gehört Zauberei auch nicht überall und zu jeder Zeit vorgeführt. Und schon gleich gar nicht mit einer Stoppuhr gemessen. Wettbewerbe sind etwas für den Sport, in Ordnung, meinetwegen. Aber Zauberei ist nun mal keine Sportveranstaltung (außer man ist Kongressveranstalter und macht sie einfach dazu). Zauberei ist eine Unterhaltungsform. Klar, Sport ist auch eine und heute sogar eine der höchstdotierten Unterhaltungsformen neben Musik und Film. Beim Zaubern geht es aber nicht um Sekunden, Meter und Kilos, sondern um Wunder. DAS sollte der Nachwuchs lernen und dabei sollten wir die die neue Generation unterstützen und unterrichten. Womit meine Theorie weiter gefestigt wird. Zauberkongresse sind zu einer neuen Form der Unterhaltung für die Fans der Zauberei mutiert. Dazu gehören offensichtlich jetzt auch die Weltrekordversuche, bei denen die einen zusehen dürfen, wie die anderen versuchen, den Rekord zu brechen (sammeln). Daher vielleicht der Versuch, den “Rekord” der Zahl der angebotenen Seminare an einem Kongress zu “brechen”, auch wenn sich dadurch kein Teilnehmer alles ansehen kann und damit nur in den Kongressstress gerät. Und trotzdem: alles war „toll und fun und mega“. Ich war auch dabei und wir haben gemeinsam tolle Erfahrungen gesammelt (da ist es wieder), einen Weltrekord und überhaupt ganz viele tolle Momente. Sammeln in Englisch heißt “collect”, was mit Kollektiv kommt. Sammeln im Kollektiv ist demnach folgerichtig. Magic 2.0 im wahrsten Sinne des Wortes. Let’s break the record! Gebrochene Rekorde … agenda-de
Papiertüten fürs Zaubern 18. August 2015 Wir brauchen sie immer, und für alle möglichen Zwecke: Kartenstechen, Kartenseil, Freefall, Produktionen, Austauschen, etc. Die Amerikaner haben ihre Lunchbags, die perfekt sind, wir haben das hier in Europa leider nicht. Aber etwas ähnliches: braune Papiertragetaschen. Bei Amazon habe ich diese gefunden, und sie sind für die meisten Zwecke perfekt… Read More
Tip Jar Konstruktion 22. August 2015 Wer kommerzielle Magie und professionelle, einfache Lösungen dazu mag, ist mit der Arbeit von Cody Fisher gut beraten. Ein Konzept von Cody zum „Bill in Lemon“ hat es mir besonders angetan: sein „Tip Jar Konzept“. Ein Tip Jar ist ein Glas, in dem Trinkgelder gesammelt werden, es steht in vielen… Read More
Zauberschulen in Deutschland 28. Juli 2015 Kürzlich las ich auf der Webseite des MZvD, dass es aktuell in Deutschland mittlerweile 16 (!) Zauberschulen gibt (Link hier). Das ist erstaunlich viel (ich glaube, so viele Ausbildungsstätten gibt es nicht für z. B. Handzuginstrumentenbauer in unseren Landen). Und ich befürchte, das es noch weitaus mehr davon gibt, als… Read More