Eine Frage, die immer wieder auftaucht, ist die nach der Art, wie man ein Programm zusammenstellt. Tricks sind ja genug vorhanden, doch wie wählt man die richtigen aus und wie bringt man sie in eine effektvolle Reihenfolge?
Gute und erfahrene Zauberer wissen intuitiv, wie man Tricks richtig anordnet, also ein Programm „zusammenstellt“. Der unerfahrene Zauberer steht meist vor einem großen Problem. Da hilft eine Art „Rahmen“ oder ein System weiter.
Anmerkung: Ich rede hier jetzt von Programmen, wie wir „normalen“ Zauberer sie sich zusammenstellen würden, und nicht von Riesenproduktionen im TV oder ähnlichem. Dieser Artikel richtet sich an den Hobbyzauberer mit seinen üblichen Vorführbedingungen und Möglichkeiten.
In der Regel steht man vor zwei Möglichkeiten: ein Themenprogramm oder ein „freies“ Programm.
Das Themenprogramm
Es ist wesentlich leichter, sich ein Programm zusammen zu stellen, wenn man ein Thema hat. Durch das Thema und die dazu passenden Tricks erhält das Programm eine Struktur, die stimmig ist. Es werden Tricks gezeigt, die auch zum Thema passen bzw. sich ins Thema einfügen.
Um dir meine Vorgehensweise zu illustrieren, nehme ich mal an, dass die nächste Zaubershow eine „Kochshow“ sein soll. Der Vorführende tritt also in einem klassischen Kochoutfit auf, was übrigens für Zauberer ein sehr dankbares Kostüm ist, in dem man viele Taschen und verborgene Hilfsmittel unterbringen kann. Das Ganze spielt von der Bühnenausstattung her in einer Art Küche oder zmindest in einem Setting, das für ein Theaterpublikum als Küche zu erkennen ist.
Die Requisiten
Ich überlege mir, nachdem das Thema klar ist, welche Requsiten in einer Küche vorzufinden sind und mache mir zuerst eine Liste der Kategorien:
Geschirr (Teller, Tassen, Gläser)
Besteck (Gabeln, Messer, Löffel)
Kochgeschirr (Pfannen, Töpfe, Behältnisse, Küchenbretter)
Kochzubehör (Gewürze, Handtücher, Lappen, Schwämme, Eieruhr, Waage)
Kleidung (Kochmütze, Schurz, Halstuch)
Zutaten (Gemüse, Fleisch, Obst, Fisch, Brot, Eiswürfel, Feuer)
Nun gehe ich bei den einzelnen Kategorien ins Detail. Meistens kommen mir dann schon beim Zusammenstellen der „Zutaten“ Ideen für Kunststücke. Oder ich realisiere beim Zusammenstellen der Liste, dass man ja einige bekannte Kunststücke durchaus auch mit anderen Gegenständen vorführen könnte. Beispiele:
Bierzeitung
Milk Pitcher
Salztrick
Kurz-Mittel-Lang (mit gelben Seilen als Spaghetti aus einem Kochtopf)
Taubenkassarole
Schwammballroutine („Reisknödel“)
Bananentrick
Tricks mit Eiern (Eierbeutel, Eierproduktion)
Konfettitrick mit Erbsen
Beancounter
Geldschein in Gemüse, Zitrone oder was auch immer
Messer durch Küchenhandtuch
Tricks mit Wasser, Milch und anderen Flüssigkeiten
Tricks mit Mehl, Puderzucker, Salz, Pfeffer, Gewürzen
Becherspiel mit Suppentassen und Knödeln
Kellentricks mit überdimensionierten Teischaber
Auch die zauberischen Requisiten ergeben sich durch das vorgegebene Thema wie von alleine: Kochlöffel als Zauberstab, Zaubersalz, „Maggi“, etc. Ablagen und Tische sind natürlich in Küchenart gestaltet: Der Haupttisch ist ein modifizierter Herd, die Seitentische können rollbare Tranchiertische sein, die Ablage ist natürlich ein Mülleimer.
Das Vaudeville-System
Es ist ein altes, aber bewährtesbewährtes Schema, das einem hilft, ein Programm in eine halbwegs vernünftige Reihenfolge zu bringen und war die Art, wie früher in Varietés die Programme zusammengestellt wurden. Dies betrifft sowohl abendfüllende Programme, wie auch kurze Showeinlagen.
Ich habe mir im Lauf der Jahre eine (stark vereinfachte!) Form dieses Schemas zurechtgelegt. Dabei hatte ich natürlich unsere Bedürfnisse als Zauberer im Blick. Ein nach dem Vaudeville-System aufgebautes Programm besteht aus fünf Teilen:
Eröffnung
Humor
Mittelteil
Feature
Schluss
Ich habe dieses System oft benützt und es funktioniert hervorragend. Bei abendfüllenden Programmen mit einer Pause habe ich beide Programmteile nach diesem Schema aufgebaut.
Eröffnung
In der Eröffnung wird der Stil des Vorführenden dargelegt. Es werden hier interessante Tricks gezeigt, die die Fähigkeiten des Vorführenden herausstellen sollen, so dass die Zuschauer merken, dass sie es mit einem Vorführenden zu tun haben, der sein Handwerk beherrscht.
Die Eröffnung muss die Zuschauer neugierig auf mehr machen und natürlich auch beeindrucken. Oftmals eignen sich auch kurze Manipulationen zu Musik gut, dass sie den Zuschauern die Möglichkeit geben, sich mit dem Vorführenden vertraut zu machen.
Humor
Als nächstes wird eine Routine mit Humor eingebaut. Das sind Tricks mit einem lustigen Vortrag, visuelle Gags, usw. Die Zuschauer sollen sehen, dass sie Spaß haben werden, weil der Vorführende Humor hat und zeigt.
Mittelteil
Hier werden längere Routinen eingebaut. Tricks, bei denen Zuschauer ins Geschehen einbezogen werden, gehören hier hin. Auch mentale Routinen könnten hier ihren Platz haben. Kurzum – alles, was etwas länger dauert und vielleicht auch von den Zuschauern mehr Konzentration erfordert.
Feature
Das ist der Platz für den stärksten Trick des Programms. Der Platz für den absoluten Überhammer, das Mirakel, das die Leute sprachlos lässt. In Vaudeville trat hier immer der Starartist auf, wegen dem teilweise die Leute ins Theater gekommen sind, der Headliner. Wenn du beispielsweise auf deinen Werbeplakaten eine kleine „Sensation“ angekündigt hast, ist hier die richtige Stelle dafür.
Schluss
An diese Stelle platziere ich bewusst nicht den stärksten Trick. In Vaudeville hat man das auch nicht so gemacht, denn an der letzten Stelle muss eine Nummer oder ein Trick stehen, bei dem die Leute applaudieren können. Es geht ja um den Schlussapplaus, und wenn den Zuschauern von einem phänomenalen Effekt die Kinnlade nach unten geht, vergessen sie vor lauter Verblüffung das Klatschen.
Was ich so gut wie immer mache, ist, die einzelnen Teile mit einem kleinen Zwischentrick oder einer Überleitung zu verbinden. Es könnte sein, dass ich nach der Eröffnung ein weißes Tuch übrig habe, welches ich dann in ein Ei verwandle, mit dem dann ein humoristischer Trick vorgeführt wird.
Das Menü
Ein guter Vergleich ist auch ein Menü. Stellt man ein mehrgängiges Menü zusammen, dann wird man sich auch an gewisse Regeln halten, und nicht den Hauptgang nach dem Dessert servieren. Auch ist bei einem guten Menü immer genug Zeit zwischen den einzelnen Gängen, und es gibt manchmal auch Kleinigkeiten, die überleiten und auf den neuen Gang vorbereiten. So ähnlich kann man das auch sehen beim Zusammenstellen eines Zauberprogramms.
Klaviermethode
Solltest du mit dem Vaudeville-System nicht weiter kommen, kann ich dir hier noch eine andere, interessante Vorgehensweise anbieten. Ich kam vor vielen Jahren darauf und die Methode hat was. Sie ist vor allem gut geeignet für die Zusammenstellung eines kommerziellen Acts, meist auch „Nummer“ genannt, die in der Regel vierzig bis fünfzig Minuten dauern. Das sind die „kommerziellen“ Darbietungen, meistens Sprechzauberei oder gemischt mit Musik, die viele bei Hochzeiten, oder Firmenfeiern vorführen. Zumindest gibt dir diese Vorgehensweise einen Rahmen und eine Orientierung vor, in dem man sich bewegen kann.
Stell dir einfach die Tasten eines Klaviers vor, und zwar eine Oktave. Das sind also sieben weiße Tasten und fünf schwarze Tasten, die Halbtöne. Jede der weißen Tasten steht für ein Kunststück. Die schwarzen Tasten stellen die Überleitungen dar, sie führen – wie in der Musik auch – von einem Ton zu anderen. Hier kommen also die „Zwischentricks“ oder andere Kleinigkeiten, die eine Verbindung schaffen. Dies können visuelle Gags sein, humoristische Vortragssplitter oder kurze Tricks mit überleitendem Charakter.
Einmal ist das nicht so, nämlich zwischen dem E und dem F. Aber das macht nichts, denn dadurch wird der Ablauf nicht langweilig. Diese Methode funktioniert prima und ich habe gute Erfahrungen gemacht. Sie „produziert“ also ein Programm aus sieben Kunststücken und den Überleitungen. Ich habe festgestellt, dass Programme, die nach diesem Schema aufgebaut sind, meistens sehr harmonisch und ausgeglichen wirken (im wahrsten Sinne des Wortes).