In der Lernpsychologie (vor allem in Bezug auf effektive Lernmethoden) hat sich eine Erkenntnis durchgesetzt: Der Lernfortschritt in einem gewählten Bereich kann erheblich gesteigert werden, wenn man bei der Verteilung der Lerninhalte ein bestimmtes Verhältnis einhält. Dies gilt insbesondere für Bereiche, in denen Fertigkeiten erlernt werden müssen.
Es wurde festgestellt, dass Lernende eine höhere Effizienz bei der Ausübung einer gewählten Tätigkeit erreichen, wenn sie ihre Lernzeit sinnvoll aufteilen, insbesondere im Hinblick auf die Aufnahme neuer Informationen.
Es wurde aber auch festgestellt, dass der Lernerfolg behindert oder sogar unmöglich gemacht wird, wenn die Aufteilung der Ausbildung nicht stimmt. Dies erscheint mir plausibel, wenn ich mir die meisten Lehrbücher ansehe, und meine Erfahrungen in der Praxis bestätigen dies.
Der Großteil unserer Fachliteratur bietet Informationen, die vom Leser aufgenommen werden können. Dies führt dazu, dass der Wissenspool des Einzelnen gefüllt wird. Eine Verbesserung der praktischen Fähigkeiten (Fertigkeiten) findet jedoch noch nicht statt. Der Lernende wird also weiterhin mit seinen Fehlern kämpfen müssen, die er in der Praxis macht (sofern er sie überhaupt erkennt).
Die Idee hinter jeder Ausbildung ist es, das Können (bei uns in der Zauberkunst vor allem die Vorführung) zu verbessern, und dazu gehört neben dem Erlernen von neuem Wissen eben auch das Erkennen und Beseitigen der vorhandenen Fehler. Ein Aspekt, der von vielen vernachlässigt wird.
Fortschritt wird, wie in vielen anderen Bereichen auch, dadurch erreicht, dass Positives hinzugefügt und Negatives entfernt wird. Einfach ausgedrückt:
Neue Ideen, Handgriffe, Techniken und Tricks zu lernen sind Beispiele für positive Elemente.
Das Erkennen eigener Fehler und Verständnislücken und das Ergreifen von Maßnahmen zu deren Beseitigung sind negative Elemente.
Um Fortschritte zu erzielen und den Schritt vom Wissen zum Können zu vollziehen, ist es notwendig, im Training ein Gleichgewicht zu halten zwischen
A) Theorie und Praxis
B) Positive und negative Elemente
Mit Ausgewogenheit meine ich nicht ein perfektes 50/50 Verhältnis, sondern ein realistisches Verhältnis. So sollten für jemanden, der die Zauberei nicht hauptberuflich, sondern als Hobbyzauberer betreibt und somit nicht unbegrenzt Zeit für sein Hobby zur Verfügung hat, ca. 30% der Zeit für den Input von neuem Material (Theorie) verwendet werden. Zu viel neues Material kann allein aus Zeitgründen nicht gelernt und umgesetzt werden. Hier ist es gut, sich auf die wesentlichen und für eine Demonstration notwendigen Bereiche zu konzentrieren.
Die restlichen 70% sollten der Praxis gewidmet werden (eigene Fehler im bereits vorhandenen Repertoire verbessern und tatsächlich vor Publikum vorführen).
Zauberkunst sollte nicht nur theoretisch studiert werden (obwohl man das durchaus tun kann, wenn man will), sondern auch vor Publikum vorgeführt werden. Dies wird in Punkt A ausgedrückt:
Wenn du nur studierst und nicht vorführst, kannst du das Gelernte nicht in die Praxis umsetzen bzw. durch die Praxis lernen und verfeinern.
Wenn du dagegen nur vorführst und nichts Neues lernst, wird sich deine Vorführung nicht wesentlich verbessern und du bleibst auf einem bestimmten Niveau stecken. Deine magische Entwicklung stagniert. Außerdem besteht die Gefahr, dass du nicht aus deinen Fehlern lernst und sie nicht korrigierst.
Im Idealfall lernst du also etwas Neues, übst es und führst es vor. Beim Vorführen erkennst du die Fehler und kannst daran arbeiten. Danach führst du es wieder vor und verbesserst es immer weiter. Das garantiert, dass deine Routinen immer mehr verfeinert werden.
Punkt B besagt, dass du auch deine theoretische Studienzeit sinnvoll einteilen solltest. Hier führt ein Ungleichgewicht zwischen Input und Verbesserung nicht zu den gewünschten Ergebnissen.
Es reicht nicht aus, nur neue Dinge zu lernen. Genauso wichtig ist es, die Dinge, die du bereits gelernt, aber nicht richtig verstanden hast, zu bearbeiten. Denn die meisten Fehler, die bei Zaubervorführungen gemacht werden, sind darauf zurückzuführen, dass der Zauberlehrling bestimmte Dinge von Anfang an nicht richtig verstanden hat.
Dies gilt insbesondere für den Bereich der Fehlleitung. Es ist ein komplexes Thema mit vielen Fallstricken. Manche Dinge sind auch nicht so einfach, wie sie aussehen oder sich lesen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich in der Praxis bei einem Trick oft mehrere Techniken überschneiden und kombiniert eingesetzt werden. Hier den Überblick zu behalten, ist eine Herausforderung.
Aus eigener Erfahrung weiß ich aber, dass sich diese Schwierigkeiten in dem Moment auflösen, in dem man einen Trick praktisch durcharbeitet. Plötzlich werden die Techniken der Ablenkung klar und man versteht, worum es geht.
Die rein theoretische (passive) Wissensaufnahme hat noch einen weiteren Nachteil. Irgendwann kommt man an eine Blockade, die die Entwicklung stoppt. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Balance nicht stimmt und du deine Prioritäten anders setzen musst. Je mehr negative Elemente du eliminieren und positive Elemente hinzufügen kannst, desto besser.
Die Praxis hat gezeigt, dass sich viele Zauberer allein durch das Entfernen der üblichen Fehler unglaublich verbessert haben! Die Shows wurden vor allem durch das Eliminieren von Fehlern besser, nicht durch das Hinzufügen von neuem Material. Also sollte dieser Punkt Priorität haben, und genau dafür ist das Arbeitsbuch für den (oft missverstandenen) Bereich der Misdirection da.
Mit diesem Arbeitsbuch (der Name ist Programm) verfolge ich genau diese Strategie. Einerseits wird dir das notwendige theoretische Wissen vermittelt (positives Plus), andererseits werde ich dich am Ende jedes Kapitels durch gezielte Fragen, Aufgaben und Kommentare zum selbständigen Handeln (und Fehlersuchen) anregen.
Dadurch soll dein Denken angeregt und dein kritischer Blick geschärft werden, so dass bisher gemachte Fehler besser erkannt und beseitigt werden können (negatives Minus).
Es sollte vermieden werden, dass du dieses Buch nur liest, um passiv theoretische Informationen aufzunehmen und dabei die praktische Umsetzung und Optimierung deines bisherigen Repertoires vernachlässigst.
Es sollte auch ein Buch sein, das es in dieser Form in der Zauberkunst noch nicht gegeben hat. Ein Buch, das dich inspiriert und dir hilft, der Lektüre Taten folgen zu lassen. Aus diesem Grund habe ich das Misdirection Kit entworfen.
Die Karten zwingen einen geradezu, sie in die Hand zu nehmen und das Gelesene in die Praxis umzusetzen. Vera F. Birkenbihls be-greifen von Wissen kommt einem hier in den Sinn: Nur wenn man aktiv wird und Karten, Papier und Bleistift tatsächlich in die Hand nimmt, entstehen Ergebnisse. Sonst bleiben es unfertige Ideen und Träume.
Veränderung und Verbesserung sind garantiert. Nur neues Wissen anzuhäufen reicht leider nicht aus, um Fortschritte zu erzielen. Eine gute Balance zwischen Theorie und praktischer Umsetzung ist anzustreben.