Stell dir vor, du bist Künstler. Du stehst auf der Bühne, durchlebst wochenlange Proben, feilst an Text, Musik, Wirkung, jeder Bewegung. Und dann – entscheidet eine lose zusammengesetzte Menge über deine Darbietung, per Handzeichen oder Applausstärke. Willkommen im Zauberwettbewerb mit Publikumswertung.
Ich muss sagen: Es ist faszinierend – allerdings nicht im positiven Sinne. Eine offene Publikumswertung mag auf den ersten Blick charmant wirken: demokratisch, direkt, irgendwie nahbar. Aber sie verkennt die Natur der Zauberkunst – und vor allem: die Würde des Künstlers.
Zauberei ist keine Karaoke-Show. Es geht nicht um den lautesten Applaus, nicht um den spontansten Lacher, sondern um ein Zusammenspiel aus Technik, Timing, Präsentation und – ja – oft auch subtiler Tiefe. Die Publikumswertung aber folgt ganz anderen Regeln: Sympathie schlägt Substanz, Lautstärke ersetzt Differenzierung, Überraschung übertönt Struktur.
Das Ergebnis? Der Künstler wird zum Bittsteller. Statt souverän sein Werk zu zeigen, beginnt er, auf Reaktionen zu schielen. Jeder Lacher wird zur Währung, jede Pointe zum Investment in ein positives Feedback. Und das Publikum? Wird zum Richter, ohne je ein Examen in Dramaturgie oder Theaterhandwerk abgelegt zu haben.
Besonders problematisch: Die Wirkung auf die Künstler selbst. Wer verliert, fragt sich nicht, ob er etwas lernen kann, sondern ob er einfach nur zu leise war. Und wer gewinnt, wird darin bestätigt, dass Lautstärke genügt. Die langfristige Entwicklung leidet, und mit ihr – die Kunst.
Wettbewerbe sind wichtig. Sie können fördern, motivieren, inspirieren. Aber bitte mit Augenmaß – und Fachjury. Oder, wenn schon Publikum, dann zumindest ergänzt durch qualifizierte Stimmen. Wer das nicht versteht, verwechselt den Marktplatz mit dem Theater.
Zauberkunst verdient mehr als spontane Bauchentscheidungen. Und Künstler verdienen mehr als ein Applausvoting.
Denn wahre Kunst lebt nicht davon, wie laut sie beklatscht wird – sondern wie lange sie nachhallt.